Equal Pay Day: 23 oder 30 Prozent Unterschied?
Der März hatte es in sich in Sachen Frauenpolitik. Wir feierten 100 Jahre internationaler Tag der Frau, begingen den „Equal Pay Day “, und zum Schluss gab es noch das Spitzengespräch zur Frauenquote zwischen den Ministerinnen von der Leyen, Schröder und Leutheusser-Schnarrenberger auf der einen und Vertretern der DAX-Unternehmen auf der anderen Seite.
Bei allen drei Events, die uns an und für sich ja hoffen lassen, gab es die üblichen weiblichen Probleme mit der Mathematik - gut, dass wir jetzt die Förderpläne für die MINT-Fächer entwickeln (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).
Hundert Jahre Tag der Frau hatten wir schon letztes Jahr gefeiert - was stimmt denn nun?
Bei der Debatte zur Frauenquote tönte Ministerin Schröder, sie wolle eine Verdreifachung des Frauenanteils in den Führungsgremien bis 2013. Das klingt ja enorm. Was sie in dem Zusammenhang weniger breittrat, war die Tatsache, dass wir nach Erreichung des schwindelerregenden Zuwachses grade mal bei 6 Prozent angekommen sind, denn derzeit gibt es 2 Prozent (in Worten: zwei!) Frauen in den Führungsetagen. Das klingt ja nun echt mickrig. Nennen wir es doch lieber „Verdreifachung!“
Am interessantesten aber ist der Equal Pay Day. Da geht es nämlich um die Frage, ob der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern nun 23 Prozent oder 30 Prozent beträgt. Ist ja nicht grade unerheblich. Bezogen auf 23 Prozent wären 30 Prozent über ein Drittel mehr Differenz.
Des Rätsels Lösung: Es kommt auf die Bezugsgröße an - welchen Wert setze ich an als 100 Prozent? Den Männerlohn oder den Frauenlohn? In meinen Seminaren behandle ich solche Fragen unter der Überschrift „Frauenzentriertes Denken“. Das fällt uns Frauen noch schwerer als Mathematik ;-). Es ist keine Fertigkeit, sondern eine Kunst, aber sie lässt sich lernen.
Sagen wir mal, die Männer verdienen pro Stunde im Schnitt 20 EUR und die Frauen 15. Dann verdienen die Frauen ein Viertel oder 25 Prozent weniger als die Männer; der Lohnunterschied beträgt 25 Prozent. Genau so wahr ist aber, dass die Männer ein ganzes Drittel, also 33 Prozent mehr verdienen als die Frauen, der Lohnunterschied beträgt also satte 33 Prozent. Und damit die Frau dasselbe bekommt wie der Mann in einer Stunde, muss sie nicht nur eine Viertelstunde, sondern 20 Minuten länger arbeiten. Für das Jahr gilt entsprechend: Nicht nur ein Vierteljahr, sondern 4 Monate länger!
Auf der Seite [url=http://www.equalpayday.de]http://www.equalpayday.de[/url] der BPW (Business and Professional Women) lese ich:
Nach der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) vom 12. November 2009 „haben Frauen in Deutschland im Jahr 2008 mit durchschnittlich 14,51 Euro pro Stunde 4,39 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen verdient. Damit lag der Gender Pay Gap, das heißt der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern, wie bereits in den Vorjahren konstant bei 23%.
Ich nehme mal an, dass im Statistischen Bundesamt überwiegend Männer wirken. Sie fanden es sicher optisch hübscher, den Lohnunterschied mit 23 Prozent zu beziffern als mit 30 Prozent. Geschickte Wortkosmetik, wie bei Kristina Schröders "Verdreifachung".
Ich rechne mal vor, wie die unterschiedlichen Zahlen zustande kommen: 14,51 (Frauenlohn) + 4,39 = 18,90 (Männerlohn) 14,51: 18,9% = 76,77 (14,51 (Frauenlohn) sind 76,77 Prozent von 18,9 (Männerlohn)) 100%-76,77% = 23,23% Differenz ••••••••••••• 18,9: 14,51% = 130,25 (18,9 (Männerlohn) sind 130,25 Prozent von 14,51 (Frauenlohn) ) 130,25%-100% = 30,25% Differenz
Setzen wir unseren Lohn als Vergleichsgröße von 100 Prozent an (denken wir frauenzentriert!), so ergibt sich der stattliche Lohnunterschied von fast einem Drittel: 30,25 Prozent!
Auf der [url=http://www.equalpayday.de]http://www.equalpayday.de[/url] Seite lese ich weiter:
Der Aktionstag „Equal Pay Day“ findet jährlich statt und markiert den Entgeltunterschied zwischen den Geschlechtern in Deutschland als den Zeitraum, den Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern zu kommen. Das Datum des Aktionstages „Equal Pay Day“ errechnet sich in Deutschland nach der Formel: 52 Wochen/Jahr x 5 Arbeitstage/Woche = 260 Arbeitstage/Jahr x statistisch aktuell ermittelter Entgeltunterschied in Prozent.
Dies Jahr war der Equal Pay Day am 25. März: 60 Tage länger musste die Frau angeblich arbeiten, um auf den Lohn des Mannes zu kommen.
Tatsächlich muss sie aber 78 Tage länger arbeiten, nämlich bis zum 20. April. Dann hat sie die 30 Prozent aufgeholt, die der Mann im letzten Jahr mehr verdient hat als sie.
Also liebe Frauen, begehen wir auch den Equal Pay Day gleich noch mal. Doppelt hält besser, das sahen wir ja schon bei der der zweiten 100-Jahr-Feier des Internationalen Tags der Frau.
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10 Kommentare
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06.04.2011 um 22:04 Uhr Evelyn
Achtung Raum Freiburg und Baden-Elsass
Event „Alle machen Karriere, nur ich nicht …“
Zeit: Do, 26.05.2011, 19:00, Ort: Freiburg
Wie sich aus einem unangepassten Lebenslauf ein eigen(willig)er Weg entwickelt.
Beate Rau wird an diesem Abend von ihrem Weg und ihrer Arbeit erzählen: “Zum Beispiel von meiner Zeit als persönliche Referentin und Pressesprecherin einer Spitzenpolitikerin etc.”
Einladung und Anmeldung - nicht nur für Journalistinnen:
Heidrun Wulf-Frick
Sprecherin Journalistinnenbund Baden-Elsass
Büro +49 (0)761 680 07 43
Mailto: .(Javascript muss aktiviert sein, um diese Email-Adresse zu sehen)
05.04.2011 um 23:57 Uhr Amy
“In Deutschland ist das Auto wichtiger als das Kind”. Die Hebammen in Bremen machten kürzlich auf ihre schlechte Lohnsituation aufmerksam und gingen für zwei Tage in den Streik. 7,50 Euro! beträgt ihr Stundenverdienst. Sie werden also schlechter bezahlt als ein Auto-Mechaniker. Das gilt auch für die Erzieherinnen in den Kindergärten, die weniger verdienen als ein Tierpfleger. Also Kinderbetreuung ist weniger wert als Tierbetreuung. Das gilt ebenso für die Altenbetreuung. Auch die bei BPW organisierten Frauen stellen klare Forderungen: mehr Transparenz durch Entgeltuntersuchungen in den Firmen. Zudem sollen die Verschwiegenheitsklauseln in den Arbeitsverträgen wegfallen. Sie verlangen, das Ehegattensplitting zu streichen. Die Elternzeit für Mütter und Väter gleich aufzuteilen und die Kinderbetreuungsmöglickeiten zu erweitern.
Die finanzielle Ungleichbehandlung bei ca. 23 % für Deutschland bedeutet, dass die Frauen bei vergleichbarem Rentenanspruch ca. 12-13 Jahre länger arbeiten müssten. Bei den ca. 30 % wären das wohl ca. an die 18 Jahre :-(
Weltweit leisten Frauen 70 % der gesamten gesellschaftlichen Arbeit, erhalten aber nur 10 % des Welteinkommens und kontrollieren nur 1 % der Produktionsmittel.Arbeit von Frauen wird nicht als Arbeit bewertet oder geringer bezahlt. Der Wert der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeiten ist in der Größenordnung vergleichbar mit der gesamten
Erwerbsarbeitszeit - mit dem also, was patriarchale Theorien bisher als `Wirtschaft` bezeichnen. Frauen leisten 2/3 der unbezahlten Arbeit. Weltweit erhalten sie ca. 50 % weniger an Lohn als Männer.
http://fz-bar.wolfsmutter.com/fz-html/politik.html
04.04.2011 um 15:08 Uhr Evelyn
Achtung Baden-Württemberg:
“Rund 400 Frauen in und auf dem Weg in Führungspositionen erwartet das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg zum zweiten Wirtschaftskongress “Spitzenfrauen – Wege ganz nach oben”. Der Kongress findet am 13. Mai 2011 im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt.
Ziel ist es, Frauen über aktuelle Zukunftstrends in der Wirtschaft zu informieren, ihnen eine Plattform zur Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch zu bieten und mit praxisorientierten Weiterbildungsangeboten den Aufstieg auf der Karriereleiter zu unterstützen. Gleichzeitig zeigen Unternehmen, wie das Potenzial hochqualifizierter Frauen als Innovations- und Wettbewerbsfaktor ... erschlossen werden kann.
Mehr Infos und Anmeldung unter (meines Wissen keine besonderen Voraussetzungen notwendig):
http://www.spitzenfrauen-bw.de/kongress.html
04.04.2011 um 12:30 Uhr anne
statistiken, analysen, studien sind nun einmal grundlage für veränderungen - und wenn - wie oben beschrieben anhand einer repräsentativen umfrage - frauen über ihre erfahrungen im berufsleben(harvard business) berichten, ist es wichtig das zu erfahren.
sicherlich macht jede frau ihre eigenen erfahrungen, wenn es z.b. um gehaltsforderungen (im aussertariflichen bereich) geht. und sicherlich gibt es auch situationen, dass mancher der mut fehlt aus angst um den arbeitsplatz? dass sich die strukturen i.d. arbeitswelt ändern müssen, um beruf und familie für beide geschlechter besser zu vereinbaren, liegt doch auf der hand. die forderungen bestehen schon seit jahrzehnten - ebenso gleiche bezahlung bei gleicher arbeit - und wie so oft bleibt es bei schönrederei. und wenn berichtet wird, dass frauen
unter umständen eine schlechtere verhandlungsposition haben aufgrund der familiären zusätzlichen belastungen, dann ist das ernst zu nehmen. ob ein blosses forscheres auftreten bei gehaltsgesprächen erfolgversprechender ist oder ausreicht, ist doch zu bezweifeln?
“...bis sich da etwas ändert, könnten auch tarifverträge, quoten, entgeltgleichheitsgesetze etwas ausrichten.” (tagesspiegel `warum verdiene ich 10 % weniger)
nach meiner meinung zeigen die analysen keine `unveränderbarkeit` sondern im gegenteil, hier muss mehr geschehen als den frauen einseitig die schuld zuzuschieben, sie wären z.b. (karriere) feige oder im endeffekt selbst an der ungleichen bezahlung schuld.. (das nur mit einfachen worten).
04.04.2011 um 12:24 Uhr Dissidentin
diese lange Etüden , die frau hier zu lesen bekommt…. das heißt für mich: Wedeln mit der Stange in vernebelten Frauenhirnen
Bitte, etwas mehr historische Kenntnisse = Kenntnis der EIGENEN Geschichte und nicht anr die Oberflächenerscheinungen der Lohnunterschiede herumrätseln.
Hier sinde URSACHEN und deren Folgen richtig benennen
Der Ausgangspunkt der Diskussion ist NICHT die unterschiedliche Bezahlung im Erwerbsleben !!!
Sondern: ANALYSIERT wurde dieses ach so beklagenswerten Phänomen (!!!)längst von Feministinnen schon in den 70gern (d.l.Jhds): durchgerechnet und publiziert - z.B.. in: Frauenforum, München
FAZIT:
in Deutschland leisten Männer nur 1/3 FRAUEN dageben 2/3 (zwei Drittel) der gesamtgesellschaftlichen Arbeit !!!
Und zwar durch ihre ARBEIT (richtig definiert: Verausgabung von Arbeitskraft)durch ihre GRATISARBEIT bei Haus-und Kinderbetreuung = GRATIS (7 Tagewoche, 24 Stunden-Einsatz)
Im Haus wird ja erst die eigentliche Arbeitskraft solche ‘hergestellt’, die sich später auf dem ‘freien arbeitsmarkt’ anbieten kann
Abgesehen davon, daß historisch gesehen auch die schlechtbezahlte a u ß e r h ä u s i g e ERWERBSARBEIT von Frauen schwer erkämpft werden mußte (z.B.Louise Otto Peters: “Das Recht der Frauen auf Erwerb “) ... Gouvernantentätigkeiten waren gerade noch ‘erlaubt’ für Frauen ... stand doch Frauen-Erwerbsarbeit noch in Konkurrenz zu der noch schlimmeren Ausbeutung durch Kinderarbeit -
Auch die sog. ’ moderne ’ Frauenerwerbsarbeit - im Gegensatz zu häuslischer= weiblicher GRATISARBEIT war / ist IMMER ein/der Einbruch in den Herrenclub = der LOHNBESITZER - machen Sie sich das klar, meine Damen
Aus dieser Logik der traditionellen MÄNNLICHEN Lohnbesitzer - gestützt besonders auch durch das Gewerkschaftspatriarchat - heraus, werden Frauen nach wie zuvor an der Elle ihrer innerhäusigen LOHNLOSIGKEIT (Deckmantel ‘Familie’) gemessen ...wenn Frauen dann auf dem Arbeitsmarkt erscheinen, die MANN doch eigentlich g r a t i s haben kann / Konnte, dann reichen für diese doch auch Unterbezahlung, Schlechtbezahlung… die Gewerkschaftsbosse hat da auch n i e gerührt
Auf der 1.Mai Demo in HAMBURGgvon Feministinnen schon 1977
Der 1, Mai Tag der Arbeit - für Frauen nur ein Arbeitstag
Ach, wie aktuell
03.04.2011 um 23:48 Uhr Evelyn
Ich kann diesen Thesen nicht so einfach zustimmen. Sind wir dazu da als möglichst nett angesehen zu werden oder für unsere Leistung gerecht entlohnt zu werden? Woher kommt denn diese verdammte Ablehnungsangst? Wenn ich die Nettigkeitsangst anführe, so ist das wiederum F r a u e n v e r h a l t e n und nicht einfach eine Struktur, die mich in die Knie zwingt. Da, wo ich den größten Zuwachs an Gehalt erhielt, wurde ich als besonders nett angesehen und mein Chef hatte ein Faible für mich aufgrund meines Humors (strange, aber Tatsache). Und er hatte noch einen “Hang zu mir”, als ich längst nicht mehr bei der Firma war. Und als ich persönliche Schwierigkeiten hatte und mal nicht sehr produktiv war für die Firma, wollte er mich in dieser Zeit auf keinen Fall fallenlassen. Chefs haben nämlich durchaus einen Riecher für gute Kräfte. Kein Mensch würde mich je dazu kriegen, mich wie ein Mann zu verhalten. Doch stehe ich, so weit ich in einem bestimmten Abschnitt meines Lebens kann, zu mir selbst. Und wirklich schlecht bin ich damit nicht gefahren.
Ich bleibe bei meiner Ansicht: ein Teil des finanziellen Desasters ist auf das eigene Verhalten der Frauen zurückzuführen. Nur die Ausgangssituation ist wirklich ungünstig. Aber jede Situation kann gewandelt werden. Geht irgendwann nichts mehr, kann ich ja gehen. Alles andere heißt wieder, die Opferrolle einzunehmen. Und es ist höchste Zeit, diese abzulegen.
Übrigens eine Idee, die schon vor dreißig Jahren laut und deutlich ausgesprochen wurde, in der Frauenbewegung. Ich erinnere mich an einen Kongress an der Uni Konstanz.
Solche Statistiken spiegeln vor allem eines wieder: einen bestimmten Bewusstseinszustand der Frauen, sich zu fügen und sich zu begnügen - mich zwingt kein Mann in die Knie, never ever. Aber in einer Firma will ich nicht ein Liebesverhältnis eingehen, sondern meine Arbeitswelt aufbauen und notfalls verteidigen. Auch finanziell. In der Tat haben auch mir Chefs immer wieder Jüngelchen vorgesetzt oder ihnen bei Rochaden das bessere Los gegeben. Es hat aber nichts genutzt: Es waren die falschen Persönlichkeiten ... und das ganze Ansehen war am Ende bei mir und nicht bei den Jüngelchen (heute: die Jüngelchen habe alle durch die Bank weg diese Jobs nicht mehr). So habe ich früh gelernt, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann.
Lasst euch bitte nicht von solchen Statistiken beeindrucken oder gar lähmen - sie sind nur dazu da, einmal zur Kenntnis genommen zu werden. Mehr nicht. Das Potenzial an Handlungsmöglichkeiten liegt bei uns persönlich. Der Rest ist politischer Natur (flächendeckende Kinderbetreuung) und dies lässt sich eben nur gemeinsam erringen. In Ba.-Wü. wurden jetzt zwei Parteien gewählt, die sich gerade diese Aufgabe auf die Fahnen geschrieben haben, und zwar mit aller Konsequenz!
Überhaupt hat sich die politische Landschaft sehr vereinfacht: Zwei Strömungen geben die Richtung vo - die ökologische (und antiatomare) Richtung und die Frauenbewegungsrichtung neuer Art - diese ist gerade dabei, Frauen zu coachen, zu trainieren, zu stärken, zu motivieren, zu sich selbst zu stehen. Dabei können sich Frauen auch noch ganz neu entdecken. Das spielt sich in einem breiten Angebotsspektrum ab. Warum wird darüber nicht mal geschrieben als uns mit Statistiken vor Unveränderbarkeiten Angst zu machen?
03.04.2011 um 21:35 Uhr anne
nachtrag: “frauen sind ein unsicherheitsfaktor” -
profn.dn. ingelore welpe, institut f. frauenforschung/gender-studien , kiel, schrieb: bei der industrie/wirtschaft hat sich das bild festgesetzt , dass bei frauen die produktivität niedriger ist als bei männern. frauen müssen familienpflichten nachgehen und wählen daher oftmals teilzeitberufe. zu berufsgruppen mit höherer vergütung haben viele keinen zugang. selbst akademikerinnen mit guter ausbildung haben in der tat schlechtere chancen auf dem arbeitsmarkt als ihre männl. kollegen. für viele wirtschaftsunternehmen ist es schlicht ein risiko eine frau einzustellen, weil sie beispielsweise nach der gründung einer familie wieder aussteigen könnte. frauen sind in den augen vieler personalmanager ein unsicherheitsfaktor. die männliche erwerbsbiographie lässt sich besser kalkulieren.”
lt. harvard business manager `karriereknick durch babypause` von 2010 heisst es nach einer repräsentativen studie:
kinder und karriere passen in deutschland nach wie vor schlecht zusammen. noch immer müssen hoch qualifizierte frauen in deutschland mit beruflichen nachteilen rechnen, wenn sie eine auszeit nehmen - etwa zur betreuung eines kindes oder betagter eltern. erforscht wurden die auswirkungen einer karrierepause bei 1ooo akademikerInnen:
dabei berichteten 45 % der frauen, dass sie nach ihrer auszeit weniger verdienten. 37 % mussten verantwortung für managementaufgaben abgeben; bei 36 % verschlechterten sich die stellenbezeichnung - und das , obwohl die dt. rechtsprechung frauen nach der elternzeit eine rückkehr zu den gleichen bedingungen garantiert. auch wenn sich dt. unternehmen offiziell frauenfreundlich geben: viele arbeitgeber haben sich noch nicht auf die bedürfnisse hoch qualifizierter mitarbeiterinnen eingestellt. so fühlten sich 53 % der befragten arbeitnehmerinnen stigmatisiert , wenn sie ihren chef um flexiblere arbeitsarrangements , jobsharing oder telearbeit bitten. ein viertel von ihnen fürchtet sogar, ihrer karriere zu schaden, wenn sie nur danach fragten. “
was die gehaltsverhandlungen betrifft, so heisst es, werden forderungen gerne mit dem argument `wirtschaftskrise` abgeschmettert.
auszug aus dem artikel des tagesspiegel `warum ich 10 % weniger verdiene`vom 25.3.2011 / “wollen wir den GPG schliessen, müssen wir für mehr transparenz sorgen. es ist nicht verboten, über sein gehalt zu sprechen. wir müssen unsere vorstellung von familie, frauen und die überfrachtung der mutterrolle überprüfen. vor allem aber müssen wir an der familienfeindlichen arbeitskultur rütteln. solange kinderhaben für frauen ein beruflicher nachteil ist, solange haben übrigens auch kinderlose frauen nachteile, weil sie potentielle mütter sind. solange im beruf präsenz belohnt wird und derjenige karriere macht, der sichtbar ist, möglichst lange im büro bleibt, und rund um die uhr erreichbar ist - so lange haben frauen eine schwächere verhandlungsposition - zumindest so lange, wie sie es sind, denen die gesellschaft die hauptverantwortung für kinder zuschreibt. bis sich da etwas ändert, könnten auch tarifverträge, quoten und entgeltgleichheitsgesetz etwas ausrichten. vor allem aber: reden wir darüber. das private ist politisch.”
lt. artikel basler zeitung “frauen stecken in der falle”: ... bisher ging man davon aus, dass frauen schlechter verhandeln als männer. entweder weil sie gar keine lohngespräche führen oder zu wenig konsequent auftreten. wären frauen mehr wie männer, so der vorwurf, wäre die lohnungleichheit behoben. eine neue studie zeigt, dass das nicht stimmt. im gegenteil: gerade weil frauen sich wie männer verhalten, stecken sie in der falle. das problem: chefs nehmen frauen die frage nach einer lohnerhöhung grundsätzlich übel. das hat harvardprofessorin H.R. Bowles mit einer ganzen reihe von verhandlungsexperimenten nachgewiesen.
vorgesetzte empfinden eine frau, die mehr lohn will, automatisch als weniger nett und ihre ansprüche als übertrieben. das führt dazu, dass frauen seltener eine lohnerhöhung bekommen und ihre vorgesetzten weniger gern mit ihnen arbeiten, so Bowles.
für Katrin Aioli, gleichstellungsbeauftragte, ist die studie eine bestätigung: frauen verhalten sich nicht einfach falsch. die verwirklichung der lohngleichheit sei nicht aufgabe der frauen, sondern der chefs und firmen. auch Sabine Schmelzer vom verband business & professionell women switzerland weiss aus erfahrung, dass eine frau, die dasselbe tut wie ein mann , anders angesehen wird. wird eine frau laut, ist sie hysterisch. wird ein mann laut, ist er energisch.
wissen zunutze machen - lt Bowles: jedesmal wenn eine frau erfolgreich mehr lohn aushandelt, ebnet das anderen frauen den weg. denn je mehr frauen gut verdienen, desto schneller ändere sich das rollenbild “
http://bazonline.ch/wirtschaft/karriere/Frauen-stecken-in-der-Falle-/story/25084865
03.04.2011 um 18:56 Uhr Evelyn
Ich argumentiere nicht so sehr quantitativ, sondern qualitativ.
Es ist sehr wohl wichtig, die Ungerechtigkeit sichtbar zu machen (Zahlen und Fakten), aber dann geht es sofort - auf der Handlungsebene - um eine qualitative Veränderung.
Meine vielen Berufsjahre haben mir gezeigt: Wo Frauen zu mehreren auftauchen, sind sofort qualitativ Unterschiede in den Umgangsformen und in der Arbeitsleistung zu verzeichnen. Teamarbeit, gemeinsames Zusammenfügen von Potenzialen, denn Faruen können sehr, sehr zielorientiert sein. In der Werbeagentur, in der ich arbeitete, haben Frauen die Chefs zu Millionären gemacht (sie selbst haben aber auch nicht schlecht verdient) - denn eine solche durchorganisierte Loyalität und Identifikation mit den Firmenzielen hat es bei den Männern dort nie gegeben. Dies konnte ich sogar im Nachhinein bestätigt finden: Die Männer wollten mehr für sich persönlich rausholen und sind alle weggegangen, sie kamen bei ihren Interessen in Kollision mit den Chefs, teilweise durch Zerwürfnisse: Heute haben sie sich selbständig gemacht oder arbeiten in Kleingruppen gemeinsam. Ihr Wettbewerbsdrang führte zu der Haltung “Denen zeige ich’s (den Chefs)!” Da ich persönlich von ihnen so viele kenne, weiß ich, dass dies absolut die Wahrheit ist. Die Frauen sind zum größten Teil noch immer dort, denken zwar seit langem an Veränderung, die meisten haben sie aber nicht umgesetzt - bis jetzt. Auch nicht in Sachen Gehaltsforderung.
Es gibt viele Chefs, die wissen, was sie an den Frauen in puncto Arbeitsleistung, Können und Verträglichkeit haben, auch ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leistung wohl bemerkt wird und persönliches Engagement - das allein schlägt sich aber noch nicht im Gehalt nieder. Die Frauen müssen lernen zu fordern und unbeirrt zu sich zu stehen. (Oder sie handeln in der Arbeitswelt mildtätig, das ist eine Grundsatzentscheidung, die in jedem Leben getroffen werden muss.)
In gehobenen und höchsten Positionen wollen Chefs Frauen aber nicht gerne sehen, weil dann rauskommen könnte, wie defizitär sie selber arbeiten. Es geht buchstäblich um die Angst vor Enttarnung. Und das will die Macht nicht.
Warum dieses Beispiel? Weil Gehaltsforderungen ein wesentlicher Drehpunkt des Geschehens sind. Die Selbstachtung müsste viele Frauen eigentlich dazu treiben, mehr zu fordern. Sehr viele. Und nicht irgendwann (“wenn es der Firma besser geht”, “wenn der Chef besserer Laune ist”, “wenn alle sehen, wie gut ich bin” etc.): Flächendeckend Gehaltserhöhungen sofort einfordern und stur weiterverfolgen, bis das Ziel erreicht ist. Die grundsätzlich empathische Grundeinstellung von Frauen können sie sich für ihre Freundinnen aufsparen oder für die Anliegen ihrer Kinder - aber nicht für angebliche Umstände, die sie davon abhalten, m e h r zu bekommen und damit m e h r aus sich zu machen. Mehr Geld bedeutet mehr Möglichkeiten - eine Banalität, die wir alle kennen. Ich kann allen, denen sich auch nur irgendwo ein Türspältchen öffnet, raten, sofort anzunehmen und die Tür sofort zu öffnen. Und sei es zunächst nur eine Gesprächstür.
(Übrigens habe ich eine Stellenverbesserung auch einmal abgelehnt, obwohl sie mir mein Chef intern angetragen hatte. Warum? Ich wollte nicht einen Managerdienstposten annehmen, auch nicht bei einem höheren Gehalt, denn dies habe ich als persönliche Sackgasse betrachtet. Ich wollte im schreibenden Metier bleiben und habe dafür vorübergehend ein geringeres Gehalt in Kauf genommen. Meiner Spur bin ich aber weiterhin gefolgt und habe mich mit jeder Stelle etwas verbessern können im Gehalt. Also, bitte nicht denken, es ginge absolut gar nichts und alles sei chancenlos.) Auch wenn es unbestritten eine gläserne Decke gibt, heißt das nicht, dass es nicht an anderer Stelle (Veränderungsbereitschaft!) kein Durchkommen gäbe. Dann bin ich eben nicht eine Ewigkeit in der gleichen Firma, na und? Ein neuer Job ist zunächst meist etwas anstrengend, aber in der Folge eher interessanter als der alte. Und Routine und Langeweile ist das Allerschlimmste in der Arbeitswelt!