Liebenswert gleich lesenswert? Jonathan Franzens Ideen über Sympathie, Schönheit und Lesefreude
Im neuen New Yorker Magazine schreibt der US-amerikanische Romancier Jonathan Franzen, Jg. 1959, über die US-amerikanische Romancière (gibt es dieses Wort überhaupt?) Edith Wharton, Jg. 1862, zu deren 150. Geburtstag am 24. Januar. Franzen ist bekannt als ein Autor, der auch Schriftstellerinnen liest und schätzt. Seine enthusiastischen Rezensionen der Werke von Paula Fox und Alice Munro waren für deren Comeback (Fox) bzw. Publikumserfolg sehr förderlich.
Aber auch ein Frauenversteher wie Franzen hat seine Grenzen. Oprah Winfrey befragte ihn nach seinen LieblingsautorInnen, und er produzierte eine Liste mit 27 AutorInnen, 18 Männer und 9 Frauen. Mehr hier:
Nun also hat Franzen sich zu ihrem Jubiläum Edith Wharton vorgenommen und sinniert in seinem Essay „Edith Wharton and the Problem of Sympathy“ über die Frage, warum er ihre Romane mag, obwohl er die Autorin als Mensch eher unsympathisch findet. Die Frage mag ältere LiteraturliebhaberInnen überraschen, haben wir doch alle noch gelernt, das Werk als eigenständig aufzufassen und von seinem Autor (Autorinnen kamen seltener ins Blickfeld) strikt zu trennen. Franzen jedoch bekennt: „Je älter ich werde, umso mehr bin ich überzeugt, dass ein schriftstellerisches Werk den Charakter seiner AutorIn widerspiegelt.“ Und: „Ich vermute, dass Sympathie, oder ihr Fehlen, das literarische Urteil fast aller LeserInnen beeinflusst. Ohne Sympathie, sei es für die Autorin/den Autor oder für ihre Romanfiguren, wird ein fiktionales Werk uns schwerlich etwas bedeuten.“
Bis dahin konnte ich ihm gut folgen - obwohl der Umkehrschluß natürlich nicht funktioniert. AutorInnen mögen sympathisch sein und/oder sympathische Figuren kreieren, aber das garantiert noch lange nicht, dass ihre Werke uns etwas bedeuten (z.B. lese ich weder Rosamunde Pilcher noch Karl May).
Franzen zählt dann auf, weshalb (ihm) Edith Wharton so unsympathisch ist: KeinE US-amerikanische SchriftstellerIn war privilegierter als sie (da war noch ihre jüngere Kollegin Amy Lowell, aber die schrieb Gedichte und Essays, keine Romane). Wharton entstammte der reichen New Yorker Oberschicht, war konservativ und selbstbewusst, Freundschaften mit Frauen hatte sie kaum; sie verkehrte lieber mit geistreichen Männern wie Henry James oder André Gide. Sie hatte allerdings eine Eigenschaft, die diese Nachteile ausbügeln und sie wieder sympathischer machen könnte: Wharton war nicht hübsch.
Ich wundere mich über diese höchst seltsame Liste von sympathieabtötenden „Nachteilen“ und schaue mir das mitgelieferte Foto von Wharton an: Nicht hübsch? Wie kommt Franzen denn auf diese Schnapsidee? Also wenn Wharton „nicht hübsch“ ist, dann ist Franzen selbst ein Ausbund an Hässlichkeit, und ich will Quasimodo oder Frankenstein heißen.
Es wird nun immer merkwürdiger. Franzen räsoniert: „Das Seltsame an der Schönheit ist nun aber, dass ihr Fehlen gewöhnlich weniger Sympathie auslöst als andere Formen der Benachteiligung. Im Gegenteil, Wharton könnte uns besser gefallen, wenn sie, neben all ihren anderen Bevorzugungen, auch noch ausgesehen hätte wie Grace Kelly oder Jacqueline Kennedy - und niemand wusste über die Fähigkeit der Schönheit, unser Ressentiment gegen Privilegierung zu überwinden, besser bescheid als Wharton selbst. Im Zentrum jedes ihrer drei besten Romane ist eine Heldin von außerordentlicher Schönheit, die absichtlich so ausgestattet wurde, um das Problem der Sympathie zu komplizieren.“
Auf der Prämisse der angeblich fehlenden Schönheit Whartons baut dann Franzen seine ganze weitere Theorie über die Rolle der Sympathie in der Romankunst im allgemeinen und in der Kunst Whartons im Besonderen auf. Da die Prämisse nicht überzeugt, fällt das ganze Theoriegebäude in sich zusammen. Es ist einfach nicht hübsch.
Dass Franzen so auf Sympathie und Antipathie herumgeigt, wirft natürlich die Frage auf: Wie sympathisch ist er denn selber? Nicht sehr, leider. Was muss sich Wharton posthum von dem Rüpel nicht alles gefallen lassen: • Mit Teddy Wharton war sie 28 Jahre lang verheiratet. Die Ehe war fast vollständig „sexless“ - und das habe vielleicht weniger an ihrem Aussehen als an ihrer sexuellen Unerfahrenheit gelegen. - Auf die naheliegende Idee, dass es vielleicht an Teddy gelegen haben könnte, an seinem Wesen oder gar an seinem Aussehen, kommt Franzen gar nicht erst. • Als Wharton sich endlich aus der Ödnis ihrer Ehe befreit hatte und eine Bestseller-Autorin geworden war, reagierte Teddy mit Abdriften in eine Geisteskrankheit und der Unterschlagung eines guten Teils ihres Erbteils. - Franzen scheint zu denken, dass Wharton sowohl an Teddys Geisteskrankheit als auch an seinen Unterschlagungen schuld ist. Und dann hatte sie auch noch die Kälte, ihn seine Schulden abzahlen zu lassen und sich erst dann von ihm scheiden zu lassen! „Whartons Erfolg und Vitalität haben schlussendlich ihren Ehemann zermalmt“, behauptet Franzen allen Ernstes, und wir fragen uns: In welchem Jahrhundert lebt dieser Mann?!
Das Rätsel, dass Whartons Werke ihm etwas bedeuten, obwohl weder die Autorin noch ihre Figuren ihm sympathisch sind, löst Franzen wie folgt: Eine unsympathische Romanfigur wecke für gewöhnlich Sympathie, wenn eine Sehnsucht oder Begierde sie antreibt. Wir können angeblich nicht umhin, gemeinsam mit der Romanfigur das Ziel ihres Begehrens herbeizuwünschen und Hindernisse auf dem Weg zur Erfüllung, sie mögen so sympathisch sein wie auch immer, zu verwünschen. Kronzeuge der Franzenschen Theorie ist das Ekel Raskolnikow, mit dessen Wunsch nach straflosem Verbrechen wir uns nolens volens solidarisieren.
Wharton gelingt laut Franzen derselbe Trick, indem sie ihren unsympathischen Heldinnen Lily Bart (The House of Mirth) und Undine Spragg (The Custom of the Country) einen unstillbaren Wunsch nach Reichtum und gesellschaftlichem Aufstieg mitgibt. Wir identifizieren uns wie willenlos mit dieser ihrer brennenden Begierde, obwohl Lily und Undine zwar bildschön, aber ansonsten oberflächliche und zutiefst unsympathische Frauen sind.
Und was erreicht Wharton damit, warum tut sie das? Entweder, weil sie sich in Schönheit hineindenken und Sympathie dafür entwickeln will, schlägt Franzen vor, oder um sich sadistisch an schönen Frauen zu rächen. Beide Heldinnen erreichen ihr Ziel nicht, und ihre Schöpferin, die ebenso unsympathische wie unschöne Romanautorin Edith Wharton, hat ihren Rachedurst befriedigt? Also wirklich! Ich hoffe doch, das glaubt nicht einmal Franzen.
Und überhaupt, was heißt schon „schön“ und „sympathisch“? Franzen lässt bei seinen Überlegungen außer acht, ist, dass diese Werturteile für Frauen und für Männer sehr unterschiedliche Bedeutung haben und sehr verschieden ausfallen. Er findet Wharton hässlich, ich nicht. Ich finde die meisten Romanautoren hässlich, wenn ich mir das mal genau überlege. Mit zunehmendem Alter werden sie naturgemäß meist noch hässlicher, mit Ausnahme des alten Fontane - aber wen schert das schon? Dostojewsky, Tolstoj, Henry James, Balzac, Hugo, Dickens, große Romanautoren, aber sowas von hässlich! Böll, Grass, Frisch - dass sie besonders hübsch waren oder sind, wird niemand behaupten. Und es interessiert auch niemand, nicht einmal Franzen, denn seinem Schönheitstest unterwirft er nur Frauen.
Die bedeutendste englische Romanautorin des 19. Jahrhunderts, George Eliot, wird (von Männern) immer als hässlich und pferdegesichtig beschrieben, während die Hässlichkeit Balzacs und Flauberts eigentlich kaum mal ein Thema ist. Eudora Welty litt zeitlebens unter ihrer angeblichen Hässlichkeit, desgleichen Eleanor Roosevelt.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters - das Maskulinum ist intendiert. Einem Menschen sein Aussehen vorzuwerfen, für das er nichts kann, ist nicht besser als Rassismus. Die neue Frauenbewegung hat dafür den Ausdruck „looksism“ erfunden: Diskriminierung aufgrund des Aussehens. Opfer dieser Diskriminierung sind fast ausschließlich Frauen. Männer fällen die Urteile, Frauen internalisieren sie und werden dadurch oft lebenslang behindert, im Wettbewerb um Männergunst gegeneinander aufgehetzt und dabei aufgerieben.
Franzen hat mich enttäuscht. Er ist mir unsympathisch geworden. Seiner eigenen Theorie zufolge werden mir seine Werke nun nichts mehr bedeuten. Da kann er durchaus recht haben. Statt Franzen werde ich nun erstmal reichlich Wharton lesen. ---------- Zum Weiterlesen: Sarah Todds erfrischende und gepfefferte Franzen-Kritik in dem Blog "Girls Like Giants" •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
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8 Kommentare
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15.02.2012 um 22:48 Uhr anne
@ Lena Vandrey - danke f.d. infos ! ha, ha an die sache mit herrn Onan habe ich so gar nicht gedacht :)
ich wundere mich überhaupt über franzen. lt. spiegel 41/2010 zur person heisst es: franzen hält die literaturwelt für frauenfeindlich. sein geständnis wurde durch weibliche kollegen ausgelöst, die sich vom jubel der kritiker über seinen neuen roman `freiheit` provoziert fühlten. die bestseller-autorinnen jodi picolt und jennifer weiner erklärten, daß in der branche mit zweierlei maß gemessen würde. romane von autorinnen erhielten weit weniger aufmerksamkeit als die von männern. dem `sunday telegraph` sagte franzen nun , daß er diese ansicht teile. wenn ein mann über familienthemen einigermaßen einfühlsam schreibe, sei der jubel groß. `wow, ein typ hat sich dieser emotionalen sache angenommen.` eine frau muß damit rechnen , daß das gleiche thema bei ihr als weiberkram abgetan werde. franzen: `es gibt eine lange tradition des ungleichgewichts zwischen den geschlechtern im literaturkanon , egal, wie du diesen kanon definierst.`
und an anderer stelle heisst es, daß franzen sich äusserst abfällig äusserte, als oprah winfrey vor 9 jahren seinen roman `die korrekturen `in ihren buchklub mit aufnahm. “er sei nicht bereit, sich in diese niederungen des literaturbetriebs zu begeben, gab er bekannt.”
irgendwie stimmt auch das nachdenklich. und wenn einer aus der literaturwelt diese als frauenfeindlich entlarvt, wird ihm sicherlich mehr glauben geschenkt als den frauen, die das schon lange vor ihm festgestellt und kritik am system geäussert haben?
das muss aber nicht bedeuten, dass er nun automatisch ein `frauenfreund` ist,
den guten worten müssen aber auch entsprechende taten folgen, oder? und auch bei franzen ist es wieder die frau, die schuld trägt, wenn es im ehe-bettchen nicht so hoch oder überhaupt nichts mehr her/geht, die ehe nicht hält und der mann angeblich finanziell ruiniert wird.
wie ich gelesen habe, fand edith wharton heraus, daß ihr mann mehrere seitensprünge pflegte , das geld für jüngere frauen ausgab und geld veruntreute. überhaupt schrecklich, wenn es wie üblich heisst, sie haben die ehe vollzogen / in dem fall von wharton angeblich ihr pflichtprogramm erst nach wochen ? mit der hetero-penetration wurde nun auch die ehe vollzogen, grusel ... ich kann mir gut vorstellen, daß für viele frauen in den arrangierten ehen die sog. `hochzeitsnacht` weniger mit sehnen als mit schaudern erwartet wurde.
luise hat völlig recht, herr franzen ist unsympathisch !
15.02.2012 um 10:42 Uhr Lena Vandrey
@ Anne: Ganz richtig über Erich Kästner! Die groBe Ruth Klüger hat ihn unter die Lupe genommen in ihrem Buch “Katastrophen”. In seiner Biografie steht das auch mit den onanierenden Mädchen, obwohl falscher Terminus für Frauen. Nur Männer onanieren, laut Onan in der Bibel, welcher es nicht aus Lust tat, sondern weil er keine Kinder zeugen wollte. Rätselhaft bleibt, warum gebildete Frauen das alles nicht gemerkt haben, auf die Misogynie nicht reagiert und diese Texte empfohlen, während Hedwig Dohm und Anita Augspurg ohne weitere Anleitung die Dinge beim Namen nannten? Augspurg dachte schon als Kind an eine Besserungs-Anstalt für Ehemänner! Die Rororo-Monografien widmen sich zu 90% Männern, und deren Kindheit und Jugend ist ausgesprochen spannend dargestellt. Für die Frauen-Monos ist es sehr viel schwieriger, etwas Aufregendes zu finden; verschüttete, zensierte Kindheit, ein stummes Elend, nichts zu melden, keine Erziehung, keine Förderung, keine Achtung, keine beruflichen Perspektiven, nichts! Und für die Rebellinnen die Psychiatrie…
Heutzutage müssten berühmte Männer sich erlauben können, Feministen zu sein und ein Beispiel zu geben. Das aber gibt es ganz selten.
Franz-Josef Degenhardt sagte zu mir: Was Männer machen, kennen wir doch, langweiliges Zeug! Aber was Frauen machen, ist interessant, da öffnet sich eine ganz neue Welt! Nun war seine Schwester Gertrude eine Malerin und Feministin, und daher wehte der Wind!
Die Franzens sollten sich also nach Schwestern umschauen und nicht nach dem eigenen Nabel und dem darauf folgenden Organ…
Ein Amerikaner, von seiner Schwester aufgeklärt, sagte: Erlaubst du mir, chauvinistischem Schwein, dir die Tür zu öffnen?
Humor ist eine gute Frauen-Sache! eine Art Kapital, welches wir gerne weitervermitteln würden!
Herzlich,
Lena.
14.02.2012 um 18:58 Uhr anne
@ Lena Vandrey - das ergeht mir zur zeit mit erich kästner und seinen roman fabian, den ich als hörbuch nicht ganz zu ende hören will. mir missfällt sein abfälliger unterton gegenüber den tragischen frauenfiguren.
daß kästner nicht unbedingt frauenfreundlich gesonnen war, zeigen auch seine briefe an seine mutter, die wohl über alle einzelheiten seine beziehungen zu frauen informiert war? da kommt so manches ans licht, daß er sich ziemlich schwer tat, wenn es um frauen ging.
zitiert aus literaturkritik, der karneval des kaufmanns von heike nieder/2005 :
“die ehemalige lebensgefährtin, liselotte enderle, hatte 1981 die `muttchen-briefe` herausgegeben, die frauenfeindlichen äußerungen aber einfach weggelassen. so schreibt kästner im oktober 1926 über seine ehemalige freundin ilse: denn sie und ich sind es den 8 jahren (..) schuldig, ehrlich und offen (...) auseinander zu gehen. und nicht wie kleine dienstmädchen, die sonst über das große maul verfügen und sagen, die moderne frau sei dem mann ebenbürtig. ilses betragen hat gezeigt, daß sie ein kleines dummes ding ist wie jedes andre beliebige mädchen.
aussagen wie diese zeigen einmal mehr das ambivalente gesicht erich kästners, der einerseits stets eintrat für gleichheit und menschenwürde und der andererseits in seinem privatleben dessen ansprüchen nicht immer gerecht werde.`zitatende
1926 schrieb kästner an seine mutter `es gibt keine leidenschaftlichen mädchen mehr. sie haben sich schon alle zugrunde onaniert, daß sie die männer nicht mehr brauchen.`
so was aber auch, nicht jede hat auf herrn kästner gewartet - und der meister war bekannt dafür, daß er auch während einer langjährigen beziehung zu seiner lebensgefährtin gerne auf montagetouren ging und hinter ihrem rücken mehrere geliebte über längere zeiträume `pflegte`...sein gedicht über die `klassefrauen` (diesen kröten jede öffnung einzeln zuzulöten) spricht nicht gerade für ihn und seine einstellung zu frauen, die nicht nach seinem geschmack waren und die er doch zuhauf hintergangen hat.
zitiert aus erich kästner, moralist mit doppeltem boden :“in `sog. klassefrauen` dominiert eine plumpe direktheit auf gewaltsamer schiene. dies ist umso unverständlicher, da der dichter am schreibtisch - im falle von kästner eher im kaffeehaus - gewirkt hatte, und da es sich bei den zielobjekten geschürter aggression, den geschminkten frauen, nicht um gesellschaftsbedrohende faktoren handelt.
bei dem die modischen frauen anklagenden modedichter kästner - allein diese konstellation reizt zum widerspruch - wird ein haß auf avantgardistische strömungen des feminismus transparent, der im ironisch bösen wunsch gipfelt, `diesen kröten jede öffnung einzeln zuzulöten.`
...gewichtig ist die satirische reduktion der frauen auf die ebene des animalischen. von verrückten gänsen und kröten ist die rede, deren einzige verfehlung es ist, als menschen (frauen) selbstbewußt in der öffentlichkeit aufzutreten, usw. usw.
auch der alte machospruch von dem schriftsteller bukowski zeigt s/eine misogyne einstellung zu frauen, auch einer von vielen :
“feminismus existiert nur, um hässliche frauen in die gesellschaft zu integrieren”
http://books.google.de/books?id=JSMM1Z2QLQUC&pg=PA132&lpg=PA132&dq=Feministinnen+zu+Erich+Kästner&source=bl&ots=Jr1l_uzqpX&sig=yrQ-d2foYxYnCUx4pQ2k6IPkaW8&hl=de&sa=X&ei=2JY6T6GGJY72sgbC5rHUBg&ved=0CCAQ6AEwAA#v=onepage&q=Feministinnen zu Erich Kästner&f=false
14.02.2012 um 18:25 Uhr lfp
Liebe Judith,
ich war auch konsterniert, als ich diese fragwürdigen bis unreifen Betrachtungen ausgerechnet von Franzen lesen musste, den ich bis dahin geschätzt und gern gelesen habe. Besonders die “Korrekturen”, “Freiheit” schon weit weniger zustimmend. Seinen Einsatz für gequälte Singvögel finde ich bemerkenswert - und nun dies!
Seinen nächsten Wälzer werde ich überspringen und stattdessen tatsächlich Wharton lesen, und Eliot.
Herzlich, Luise
14.02.2012 um 16:26 Uhr Judith Rauch
Liebe Luise, das ist wirklich traurig zu lesen. Ausgerechnet Franzen, der es schafft, mich für unsäglich langweilige Figuren zu interessieren, die mit meinem Leben nichts zu tun haben, etwa diese frustrierte Hausfrau Patty Berglund in “Freedom”. Was die Schönheit betrifft, so hat es die Natur ja so vorgesehen, dass die Männer sich präsentieren sollen (Hirsche, Hähne, etc.) und die Frauen die Wahl treffen. Dass es bei den Menschen gelegentlich umgekehrt läuft, ist ein bedauerlicher Irrweg der Natur. Wir sollten ihn nicht zu ernst nehmen.
14.02.2012 um 10:45 Uhr Lena Vandrey
Das Wort Romancière gibt es tatsächlich; es wird aber selten gebraucht, etwaig nur wenn die Autorin ausschlieBlich über Romane bekannt ist. Den Romancier aber gibt es nicht mehr, Männer sind Ecrivains und Auteurs. Vormals wurde eine Feminisierung per “e” angeregt, aber bald wieder fallen gelassen. Wittig und Cixous sahen sich als Ecrivains per Maskulinum: Jeder Ecrivain ist homosexuell, selbst wenn er es “nicht” ist, Cixous dixit.
Für meinen Teil finde ich Edith Wharton pritty und Mr.Franzen ugly, und die Hässlichkeit schreibender Männer, Despoten auf ihre Art, ist mir schon früh aufgefallen. Was für hübsche Kinder sind es meist(Joseph Roth, Kurt Tucholsky)und was für abschreckende Monster werden daraus. Könnte es sein, dass ihre Hass-Gedanken auf Frauen ihren Zügen diese Hässlichkeit verleihen? Hässlich kommt bekanntlich von Hass, und Autoren sind gehässig, was Autorinnen betrifft. So musste Nietzsche die groBartige George Sand eine Kuh nennen, und der groBe Franz Kafka die Dichterin Else Lasker-Schüler eine Kuh vom Ku-Damm. Erstaunlich ist daran nur, dass Frauen nicht kontern, nicht zurückschlagen, so wie LFP es glücklicherweise tut, weil sie die sprachlichen Werkzeuge, ja Waffen! dafür besitzt.
Liebenswert-Lesenswert: Eines der Abenteuer meines Alters ist die Tatsache, dass ich Th.Mann nicht mehr lesen kann, abgesehen von den “Buddenbrooks”. Überall sonst springt seine päderastische Misogynie unerträglich ins Auge, ganz besonders in der “Joseph-Trilogie”, fürchterlicher als die schlimmsten Bibelseiten, und das mussten Katja und Erika Mann in die Maschine kopieren!
Dazu noch zu bemerken, dass sogut wie nur Frauen die Tipperei für die Männer-Autoren geleistet haben, also den “Satz” herstellen und die ersten Leserinnen dieserart Infamien sind.
Franzen und Konsorten könnten ihre Intelligenz doch dazu benutzen, bei sich selbst vor der Tür zu fegen? Die Schauspielerin Ingrid Thulin hatte einen guten Satz formuliert: Wir können ein Genie bewundern - wir brauchen es nicht zu lieben.
In diesem Sinne, herzlich,
Lena.
13.02.2012 um 23:06 Uhr februar2012
mich stören diese stereotypen: männer »machen« und frauen »werden« (deshalb) etwas.
»frauen werden« ist ein beredter ausdruck patriarchalen denkens. mann aktiv - frau passiv.
eine googlesuche ergibt für “frauen werden”:
Ungefähr 3.110.000 Ergebnisse
für “männer werden” nur:
Ungefähr 1.740.000 Ergebnisse
frauen kommen fast doppelt so oft in passiven formulierungen vor.
frauen sind aber keine passive verschiebemasse. sie können entscheiden, und sie können sich externen urteilen (männlichen wie weiblichen) auch entziehen.
man sollte das stereotp »frauen werden« nicht unbedacht verwenden und damit passivität fortschreiben, sondern frauen bestärken, nicht zu etwas gemacht zu »werden«.
13.02.2012 um 20:36 Uhr anne
liebe luise - danke für diese starke glosse und das thema schönheit. frau könnte bände darüber schreiben anhand von beispielen, wie gut bzw. empörend in unserer gesellschaft `looksism` funktionieren. es sind immer weibl. menschen, die in den focus stehen und wie auf dem viehmarkt dem männl. (prüfenden)blick ausgesetzt sind. ob in der werbung, medien, kultur, politik, gesellschaft, mode - der männl. blick diktiert, manipuliert, zensiert, bestimmt.
kürzlich las ich die kritik des modemachERs karl lagerfeld (den ich deshalb als alternden mode-gruftie benenne) an Adele, eine selbstbewusste frau und wunderbare sängerin . abfällig äusserte er sich über ihre figur , sie sei zu fett! diese junge frau hat so viel selbstbewusstsein, daß sie sich erfolgreich mit argumenten gegen ihre kritikEr zu wehr setzt. eine frau , die sich nicht auf ihr äusseres erscheinungsbild reduzieren und verbiegen lässt und bleibt so wie sie ist.
frauen sind weiter immens betroffen von altersdiskriminierung “die schrottreife frau ab 50, sexismus im alter” (eine kolumne von sibylle berg im spiegel). “frauen über 50? die sollen doch bitte stricken und das haus hüten! so lautet die botschaft von leuten, die einen superstar wie madonna dafür in die pfanne hauen, dass sie in ihrem alter noch auf der bühne steht.” was für eine sexistische frechheit. sexismus beginnt im kleinen ekligen alltag und `looksism` sind ein fester bestandteil. die klare botschaft ist, wie sibylle berg schreibt, frauen, die sich in irgendeiner form mit einer eigenen leistung hervortun, sollten nicht nur jung und gutaussehend, sondern am besten ein mann sein.
hat das nicht unsere bundeskanzlerin merkel in ekelhafter form durch die männerpresse erlebt? wie wurde sie auf ihr äusseres erscheinungsbild reduziert, öffentlich beleidigt, lächerlich gemacht.
feministinnen, emanzen, lesben sind alle hässliche frigide mannweiber - der männliche blick: wie ceiberweiber zu `falter und der feminismus` schreibt “das hässlichreden des feminismus und der feministinnen scheint ein produkt männl. wunschdenkens zu sein. schlimmer noch: es ist wahrscheinlich sogar eine absichtlich in die welt gesetzte diffamierung , gedacht als warnung an alle frauen . sie lautet hört gut zu, wie wir über frauen reden; die einen gefallen uns, die belohnen wir. die anderen werden bestraft. überleg dir gut, wohin du gehören willst.”
und dafür nehmen auch heute leider viele (junge) frauen kritiklos alles in kauf, um zu gefallen oder `richtig` eingeschätzt zu werden, angefangen von schönheits-operationen, genital-operationen, bis hin zu magersucht ...
über den glatzen- bzw. bauchansatz, körperumfang vieler männer wird dagegen diskret hinweggesehen - denn wie heisst es `ein mann muss nicht immer schön sein`, auch nicht als politiker, schriftsteller, medienmacher etc.
http://www.sueddeutsche.de/politik/sexismus-vorwurf-bei-der-fdp-gewaehlt-wird-wer-gut-aussieht-1.1256824