Fembio Specials Frauen aus Wuppertal Emma Ihrer
Fembio Special: Frauen aus Wuppertal
Emma Ihrer
(Emma Rother [Geburtsname])
geboren am 3. Januar 1857 in Glatz, Schlesien
gestorben am 8. Januar 1911 in Berlin
deutsche Politikerin, Sozialpädagogin und Gewerkschafterin
165. Geburtstag am 3. Januar 2022
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Betrachten wir ein Foto der etwa zwanzigjährigen Emma Ihrer, können wir uns gut vorstellen, dass diese hübsche junge, selbstbewusste und lebensfrohe Frau sich einer Aufgabe widmete, die Elan, Eifer und Einsatzbereitschaft verlangte.
Die fanden die Frauen aus dem Bürgertum, dem auch Emma Ihrer entstammte, im 19. Jahrhundert in der sozialen Arbeit. Diese drängte sich auf angesichts des Elends der Frauenarbeit in einer Großstadt wie Berlin. Dorthin war Anfang der achtziger Jahre die gelernte Putzmacherin Emma Ihrer, die am 3. Januar 1857 im kleinbürgerlichen Milieu einer Kleinstadt in Schlesien geboren worden war, gekommen. Zu ihrem ersten Engagement für einen »Frauenhilfsverein für Handarbeiterinnen« (gegründet 1882) hat sie sich später selbstkritisch geäußert, er sei nur »kleinliche Reformarbeit« gewesen und deshalb wohl auch auf wenig Resonanz gestoßen. Dieser Verein hatte sich noch an der Idee orientiert, die Lage der Arbeiterinnen durch kollektive Hilfseinrichtungen und Berufsertüchtigung bis hin zur Stärkung der Sittlichkeit zu verbessern.
Der 1885 von Emma Ihrer mit gegründete »Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen« berücksichtigte dagegen die unmittelbaren Belange der Arbeiterinnen. Statt Berufsertüchtigung und Hilfskasse wurden Lohnfragen thematisiert, Lohnverträge mit einzelnen Fabrikanten ausgehandelt. Hier liegen die Anfänge von Emma Ihrers Arbeit für die Gewerkschaften, der sie sich Zeit ihres Lebens in führenden Funktionen widmete. Der »Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen« veranstaltete Massenproteste und erlangte überregionale Bedeutung. Die preußische Polizei witterte sozialdemokratische Umtriebe, verbot den Verein unter Berufung auf das des Sozialistengesetz und verhängte Strafen gegen die Vorstandsmitglieder; Emma Ihrer bekam eine Geldstrafe.
Das Vereinsverbot erreichte das Gegenteil: Die aktionsbereiten Frauen wandten sich der sozialdemokratischen Partei zu. Für Emma Ihrer beginnt das Engagement für die proletarische Frauenbewegung, und gemeinsam mit Clara Zetkin, mit der sie 1889 als Berliner Delegierte am Internationalen Arbeiterkongress in Paris teilnahm, startete sie die klassenbewusste Ära der Arbeiterinnenbewegung. Mit der finanziellen Unterstützung ihres Mannes, der Apotheker war, gibt Emma Ihrer die Zeitschrift »Die Arbeiterin« heraus, ein Jahr später wird aus ihr die von Clara Zetkin redigierte » Die Gleichheit«. In zwei Schriften formuliert Emma Ihrer das Credo des proletarischen Klassenkampfes. 1893 erscheint die Schrift: «Die Organisation der Arbeiterinnen Deutschlands, ihre Entstehung und Entwicklung«, fünf Jahre später (1898): «Die Arbeiterinnen im Klassenkampf: Die Anfänge der Arbeiterinnenbewegung, ihr Gegensatz zur bürgerlichen Frauenbewegung und ihre nächsten Aufgaben«.
Machte die bürgerliche Frauenbewegung noch Frontstellung gegen die Männer auch der eigenen Klasse, wird die Befreiung vom Mann in der proletarischen sekundär, primär gilt der gemeinsame Kampf von Mann und Frau, von Arbeitern und Arbeiterinnen, dem sie beide unterdrückenden und ausbeutenden Kapital. Und mit der Befreiung vom Kapital ist auch die Befreiung der Frau »von socialen und politischen Ketten« erreicht. Heute wissen wir, dass in späteren kommunistischen Ländern diese Befreiung für die Frau keineswegs so automatisch erreicht wurde, wie es die sozialistische Programmatik erhoffte.
Emma Ihrer starb am 8. Januar 1911 in Berlin. Auch wenn uns heute die Formulierung der Grabinschrift etwas pathetisch erscheint, als Motto ihres Lebens eignet sie sich dennoch: »Zu wirken für andere war ihres Lebens ergiebigster Quell«.
(Text von 2006)
Verfasserin: Hiltrud Schroeder
Zitate
Aus einem schaffensreichen vollen Leben riß der Tod am 8. Januar unsere Genossin Emma Ihrer. Nicht allein eine der ältesten und tatkräftigsten Agitatorinnen der Partei haben wir in ihr verloren: Mit Emma Ihrer wie mit allen denen, die noch die ersten großen Zeiten des Anfangs mit durchlebten, ging zugleich ein unersetzbares Stück Parteigeschichte dahin. Unter dem Sozialistengesetz war sie in die Reihen der Partei getreten. Seit dem Anfang der achtziger Jahre, wo sie zuerst öffentlich hervortrat, bis kurz vor ihrer letzten schweren Erkrankung hat sie unermüdlich mit immer gleicher Wärme, immer gleicher tiefinnerer Begeisterung für die Sache gewirkt, die ihr die größte schien: die Verbreitung des sozialistischen Gedankens im Proletariat, die Aufklärung und Organisation speziell der weiblichen Arbeiterschaft.
(Wally Zepler, gefunden hier)
Ihr Schwestern in der Arbeit Heere
Vernehmt auch ihr den Ruf der Zeit!
Uns drückt dasselbe Los, das schwere
Das längst die Männer rief zum Streit.Sprecht nicht vom ›schwächeren Geschlechte‹
Sind wir zur Arbeit stark genug
Sind wir auch stark für unsre Rechte
Uns einzureih'n dem Kämpferzug.(Emma Ihrer (Urheberschaft nicht ganz sicher), gefunden hier)
Links
Malettke, Klaus (1974): Ihrer, Emma. In: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 129. Onlinefassung.
Online verfügbar unter http://www.deutsche-biographie.de/sfz36295.html, abgerufen am 08.11.2017.
Notz, Gisela (2007): Emma Ihrer zum 150. Geburtstag. Vorkämpferin für Frauengewerkschaften. In: SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2007, Seite 18.
Online verfügbar unter http://www.vsp-vernetzt.de/soz-0702/0702181.htm, abgerufen am 08.11.2017.
Pfister, Eva (2007): Gerechtigkeit statt Wohltaten. Deutschlandradio Kultur, Kalenderblatt vom 03.01.2007 zum 150. Geburtstag von Emma Ihrer.
Online verfügbar unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/578508/, abgerufen am 08.11.2017.
Schneider, Dieter: Emma Ihrer. Gegen Rückständigkeit und Unverstand. ver.di.
Online verfügbar unter http://geschichte.verdi.de/persoenlichkeiten/emma_ihrer, abgerufen am 08.11.2017.
Zepler, Wally: Emma Ihrer. Nachruf. In: Sozialistische Monatshefte. - 15 = 17(1911), H. 2191102, S. 114 - 117. Friedrich-Ebert-Stiftung.
Online verfügbar unter http://library.fes.de/cgi-bin/digisomo.pl?id=02615&dok=1911/1911_02&f=1911_0114&l=1911_0115&c=1911_0115, abgerufen am 08.11.2017.
Werke online
Ihrer, Emma (1893): Die Organisationen der Arbeiterinnen Deutschlands, ihre entstehung und Entwickelung. PDF-Datei, Faksimile. Friedrich-Ebert-Stiftung.
Online verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/01724.pdf, abgerufen am 05.01.2011.
Ihrer, Emma (1898): Die Arbeiterinnen im Klassenkampf. Anfänge der Arbeiterinnen-Bewegung, ihr Gegensatz zur bürgerlichen Frauenbewegung und ihre nächsten Aufgaben. PDF-Datei, Faksimile. Friedrich-Ebert-Stiftung.
Online verfügbar unter http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/01719.pdf, abgerufen am 05.01.2011.
Literatur & Quellen
Werke Braun, Lily; Brinker-Gabler, Gisela (1979): Frauenarbeit und Beruf. Enthält: Die proletarische Frau und die Berufstätigkeit (1905) von Emma Ihrer. Originalausg. Frankfurt am Main. Fischer-Taschenbuch-Verl. (Frühe Texte, 2046) ISBN 3-596-22046-7. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Ihrer, Emma (1898): Die Arbeiterinnen im Klassenkampf. Anfänge der Arbeiterinnen-Bewegung, ihr Gegensatz zur bürgerlichen Frauenbewegung und ihre nächsten Aufgaben. Mikrofiche-Ausgabe der 1898 erschienenen Ausgabe. Wildberg. BWD. 1990-92. (Bibliothek Stein, 2293) ISBN 3-628-02293-2. (WorldCat-Suche)
Ihrer, Emma (1898): Die Organisationen der Arbeiterinnen Deutschlands. Ihre Entstehung und Entwickelung. Mikrofiche-Ausgabe der 1898 erschienenen Ausgabe. Wildberg. BWD. 1990-92. (Bibliothek Stein, 2291) ISBN 3-628-02291-6. (WorldCat-Suche)
Quellen Frederiksen, Elke (Hg.) (1981): Die Frauenfrage in Deutschland. 1865 - 1915 ; Texte und Dokumente. Stuttgart. Reclam. (Universal-Bibliothek, 7737) ISBN 3-15-007737-0. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Juchacz, Marie (1955): Sie lebten für eine bessere Welt. Lebensbilder führender Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts. Hannover. Dietz. 1971. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Niggemann, Heinz (1981): Emanzipation zwischen Sozialismus und Feminismus. Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Kaiserreich. Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1979. Wuppertal. Hammer. ISBN 3-87294-180-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Schneider, Dieter (Hg.) (1988): Sie waren die ersten. Frauen in der Arbeiterbewegung. Frankfurt am Main. Büchergilde Gutenberg. ISBN 3-7632-3436-5. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Weiterführende Literatur Leschonski, Antje (2010): Anna, Lily und Regine. 30 Frauenporträts aus Brandenburg-Preußen. Enthält: Emma Ihrer (1857-1911) von Claudia von Gélieu. 1. Aufl. Berlin. vbb Verl. für Berlin-Brandenburg. ISBN 9783866503526. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Zumpe, Brigitte von (1987): Der Lebensweg der Emma Ihrer, Berührungspunkte der Frau eines Apothekers mit Pharmazie und Sozialismus. Leipzig, Ingenieurschule, Abschlussarbeit, 1987. Leipzig. Ingenieurschule für Pharmazie Leipzig. (Ausleihe in der Württembergischen Landesbibliothek)
Bildquellen
Schlesienseite von Roland Mattern Wikipedia ver.di
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