Fembio Specials Frauen aus Wuppertal Hilde Wesselmann
Fembio Special: Frauen aus Wuppertal
Hilde Wesselmann
geboren am 25. Oktober 1902 in Wuppertal-Barmen
gestorben am 17. März 1999 in Hannover
deutsche Sängerin (Sopran) und Gesangspädagogin
25. Todestag am 17. März 2024
Biografie
Hilde Wesselmann war eine der bedeutendsten deutschen GesangspädagogInnen des vorigen Jahrhunderts. Die charismatische Lehrerin unterrichtete von 1940 bis 1971 an der Folkwangschule für Musik, Tanz und Sprechen in Essen und widmete sich der Ausbildung ihrer SchülerInnen mit ungewöhnlicher Hingabe und Geduld und vor allem einem unbestechlichen Gehör. „Ich unterrichte mit dem Ohr“, pflegte sie zu sagen. Ihre SchülerInnen dankten es ihr mit außergewöhnlicher Liebe und Anhänglichkeit, in ihrem Alter mit selbstloser Fürsorge.
Wesselmann wurde 1902 als viertes Kind einer Gastwirtsfamilie in Wuppertal-Barmen geboren, wo sie behütet aufwuchs. Die Eltern hätten sie mit selbst angebautem Gemüse und Obst wunderbar ernährt, erzählte sie später, oft gab es „Schwarzbrot und eine Möhre“. Sie besuchte, wie ihre Geschwister, nur die Volksschule. Die Familie liebte die Musik, ein Bruder spielte Klavier, Hilde bekam Geigenunterricht. Ihre beste Freundin, Eva Jürgens, stammte aus einer gebildeten und hochangesehenen Arztfamilie. Eva begleitete Hilde auf dem Klavier, die beiden traten sogar zusammen auf und konnten auch Gesangsnummern zum besten geben, Eva sang Alt und Hilde Sopran. Hilde fühlte sich wohl in der kultivierten Atmosphäre dieses Hauses; ihre souveräne gesellschaftliche Sicherheit in einfachsten wie vornehmsten Kreisen lernte sie in ihrer Jugend sozusagen spielend.
Hilde Wesselmann studierte Geige am Kölner Konservatorium, aber ihre Hände waren für viele Griffe zu klein, weshalb der Direktor, Hermann Abendroth, der ihre hohe Musikalität schätzte, sie fragte, ob sie nicht ein anderes Instrument… „Ich kann singen“, sagte Hilde Wesselmann, und so wurde aus der Geigerin eine Sängerin. „Nach dem Abschluss ihrer Studien bei Prof. Rudolf Thiele und nach dem Beginn ihrer Konzertkarriere (während der sie als Oratoriensängerin unter den berühmtesten Dirigenten ihrer Zeit - Furtwängler und Ramin, Abendroth und Karajan - zu hören war, holte sie sich den letzten Schliff bei der Schweizerin Maria Philippi, zu der in jenen Jahren viele große Talente pilgerten.“ (Klaus Kirchberg, 1982)
1940 begann sie ihre zweite, vielleicht noch bedeutendere, Karriere als Gesangslehrerin an der Folkwangschule. „Das besondere ihrer international berühmten Methode lag in der Verbindung von tiefen Einsichten in die stimmphysiologischen Bedingungen mit den früh geprägten Klangvorstellungen der Instrumentalistin. Diese Kombination - am schönsten zu studieren bei Agnes Giebel, Wesselmanns wohl berühmtester Schülerin - war auch deswegen so erfolgreich, weil sich die sängerischen Idealvorstellungen unter dem Einfluss der wiederentdeckten alten wie der neuen Musik so grundlegend verändert hatten.“ (Klaus Kirchberg, 1982).
Im Nachlass von Hilde Wesselmann fand sich ein atemlos glücklicher, sechs Seiten langer Brief, den die 32jährige Agnes Giebel ihrer verehrten Lehrerin nach einem Konzert unter Karl Richter im Jahre 1953 geschrieben hatte:
Wären Sie nachher da gewesen, Sie hätten jetzt blaue Flecke, ich glaube, ich hätte Sie zerdrückt und halbtot geküßt, soooo war mir zu Mute. Was haben Sie nur aus mir gemacht? Ich glaube, die Essener haben „gestaunt“, das haben sie wohl nicht erwartet von dem ehemals kleinen Steeler Mädchen. Ich habe ganz bestimmt gut gesungen, keine einzige Stelle hätte ich anders singen wollen. Manchmal meint man das doch hinterher. Hier nicht einmal. […] Gleich kam ich dran, gleich musste gesungen werden. Was haben wir den Anfang gut probiert, da war ich sicher, mir passiert nichts mehr, wenn nur erst das Herz wieder ruhig wäre. Und es war ruhig beim ersten Ton. Dann kam alles, so wie wir es gemacht haben. Bei jeder Stelle hörte ich Sie. Wie viele „zart und süß, zärtlich und innig“ fand ich von Ihnen, ach, ist das eine Geborgenheit. Ich weiß nicht, was ich Ihnen vor Glück antun möchte. Aber das immer, immer werde ich auch für Sie so schön singen wie es nur möglich ist, Sie meine allerliebste Lehrerin, Meisterin, ich habe die Worte nicht.
Hilde Wesselmann leitete ihre Meisterklasse für Gesang an der Folkwang-Hochschule von 1940 bis 1971. Neben Agnes Giebel zählen zu ihren bekanntesten Schülerinnen und Schülern Maria Friesenhausen, Marie-Luise Gilles, Manfred Jung, Elke Krampen, Franz Müller-Heuser, Barbara Schlick und Isabell Strauss.
Wesselmann arbeitete privat auch nach ihrer Pensionierung weiter, bis sie 1995 - im 93. Lebensjahr! – wegen eines Schlaganfalls zum Aufgeben gezwungen wurde. Hermann Max, der Gründer der Jugendkantorei Dormagen, aus der 1985 die Rheinische Kantorei hervorging, arbeitete eng mit ihr zusammen und ließ die ChoristInnen bei ihr ausbilden.
Schon in den fünfziger Jahren war Wesselmanns Schülerin Gabriele von Glasow für sie eingesprungen, als sie an Typhus erkrankt war. Von Glasow war als ihre Nachfolgerin an der Folkwangschule vorgesehen, übernahm dann aber eine Gesangsprofessur an der Hochschule für Musik in Hannover. Wesselmann und von Glasow blieben einander als Freundinnen verbunden bis zu Wesselmanns Tod im hohen Alter von 96 Jahren. Gabriele von Glasow und ihre Lebensgefährtin Mayling Konga (auch sie eine Wesselmann-Schülerin) sorgten 1995 dafür, dass Wesselmann in ein Altersheim in Hannover umzog, wo von Glasow und Konga sich besser um sie kümmern konnten.
(nach einem Interview mit Mayling Konga am 7. März 2012. Bilddokumente von Mayling Konga)
Timeline:
(Text von 2012)
Verfasserin: Luise F. Pusch
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