Fembio Specials Frauen aus Lateinamerika Michelle Bachelet Jería
Fembio Special: Frauen aus Lateinamerika
Michelle Bachelet
(Dr. Verónica Michelle Bachelet Jería)
geboren am 29. Sept.1951 in Santiago, Chile
chilenische Politikerin, Kinderärztin und Epidemiologin; Gesundheitsministerin (2000-2002), Verteidigungsministerin (2002-04), Präsidentin der Republik Chile (2006-2010 und wieder seit März 2014), Executive Director, UN Women (2010-2013)
70. Geburtstag am 29. September 2021
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Als erste frei gewählte Präsidentin Südamerikas – im vielleicht konservativsten Land des Kontinents – trat Michelle Bachelet im März 2006 ihre vierjährige Amtszeit an. Bachelet behauptete von sich, sie verkörpere »alles, was in Chile als Todsünde gilt«, denn sie sei weiblich, sozialistisch, agnostisch und lebe von ihrem Mann getrennt. Da die beliebte Politikerin laut Verfassung nach Ablauf ihrer ersten Amtszeit nicht wiedergewählt werden durfte, kandidiert sie nun 2013 erneut für das Amt des Staatsoberhaupts. Man erwartet, dass sie bei der Stichwahl im Dezember gewinnen wird.
Bachelets Vater, ein General der Luftwaffe unter Salvador Allende, wurde nach Pinochets blutiger Machtübernahme gefoltert und starb 1974 im Gefängnis. Die jungsozialistische Aktivistin und Medizinerin Michelle und ihre Mutter Ángela Jeria, Anthropologin, wurden 1975 ebenfalls verhaftet und gefoltert. Nach wochenlangem Gefängnisaufenthalt gingen sie ins Exil, zuerst nach Australien und dann in die DDR, wo Michelle an der Humboldt-Universität ihr Medizinstudium wiederaufnahm. 1979 kehrte sie nach Chile zurück, schloss 1982 ihr Studium an der Universität von Chile in Santiago ab und qualifizierte sich bis 1986 zusätzlich in Pädiatrie und Epidemiologie. 1986 bis 1990 leitete Bachelet die medizinische Abteilung einer NRO, die Kindern von Opfern der Junta beistand.
Nach dem Sturz Pinochets 1990 nahm Bachelet eine Stelle beim Gesundheitsministerium an. 1996 bis 1998 studierte sie nationale Sicherheits- und Wehrkunde in Santiago und am Inter-American Defense College in Washington, D.C.. Danach arbeitete sie als Beraterin im chilenischen Verteidigungsministerium. Präsident Ricardo Lagos ernannte Michelle Bachelet 2000 zur Gesundheitsministerin, 2002 zur ersten Verteidigungsministerin Chiles – und Lateinamerikas. Bachelet gewann rasch Vertrauen und Ansehen und erwies sich als durchsetzungsstark, indem sie sich für eine Demokratisierung des Militärs einsetzte.
Die Mutter von drei Kindern, die fünf Sprachen spricht, war sehr beliebt als Ministerin, und als sie gegen den konservativen Medienmogul Piñera kandidierte, gewann sie mit einer Mehrheit von 53,5 Prozent. »In ihrer Antrittsrede rief sie ihre Landsleute zur Aussöhnung, zur Integration gesellschaftlicher Randgruppen und zum Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit auf (vgl. FAZ, 13.3.2006).« (Munzinger)
Die neue Regierungschefin ging die soziale Schieflage des Landes an: Sie strebte eine gerechtere Einkommensverteilung und eine Reform des Erziehungssystems an und besetzte genau die Hälfte der Ministerposten mit Frauen, wie sie es im Wahlkampf versprochen hatte. Aber sie behielt auch die wachstumsorientierte freie Marktwirtschaft ihrer Mitte-Links-Koalition Concertación bei, wie sie in der aus der Pinochet-Diktatur stammenden Verfassung festgeschrieben war. Außenpolitisch arbeitete Bachelet eher mit Brasiliens Lula als mit dem radikaleren Hugo Chavez (Venezuela) zusammen.
Die ersten Monate ihrer Amtszeit wurden allerdings durch Massenproteste von SchülerInnen überschattet, die im Mai und Juni 2006 wegen gravierender Probleme im Erziehungswesen auf die Straße gingen und mit Unterstützung von LehrerInnen, StudentInnen und Gewerkschaften zwei Nationalstreiks organisierten. Weitere Demonstrationen für mehr soziale Teilhabe setzten Bachelet 2007 unter Druck, und im Januar 2008 protestierte das indigene Volk der Mapuche, die das Selbstbestimmungsrecht über ihre traditionellen Siedlungsgebiete forderten. Um die Initiative in ihrer Koalition zu behalten und ihre sozialpolitischen Reformpläne erfolgreich umzusetzen, bildete die Präsidentin während ihrer vierjährigen Amtszeit die Regierung über zehnmal um. (Vgl. Munzinger)
Außenpolitisch hatte Bachelet durch bilaterale Kooperationsabkommen Erfolg, z.B. mit Spanien und mit Japan. Auf Grund seines Wirtschaftsbooms bekam Chile 2009 als erstes südamerikanisches Land eine Einladung in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD; Beitritt 11.1.2010). (Vgl. Munzinger) Aber trotz großen Wirtschaftswachstums blieb und bleibt die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit im Land ein dringendes Problem.
Obwohl die Präsidentin sehr beliebt war, durfte sie laut Verfassung nach Ablauf ihrer Amtszeit nicht wiedergewählt werden. Der Kandidat ihrer Mitte-Links-Koalition, Eduardo Frei, wurde von dem Multimillionär Sebastián Piñera, Bachelets früherem Wahlgegner, geschlagen; am 11.3.2010 wurde Piñera vereidigt.
Michelle Bachelet wurde Im September 2010 von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zur Chefin der neuen Frauenorganisation United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women (UN Women, http://www.unwomen.org/) ernannt, in der vier bisher existierende UN-Ämter zusammengeführt wurden. Als Executive Director führte Bachelet den Kampf für Gerechtigkeit und Fortschritt für Frauen und Mädchen in der ganzen Welt weiter, bis sie 2013 zurücktrat, um für die Präsidentschaft Chiles erneut zu kandidieren.
Die Vorwahl im Juli gewann sie leicht mit 73 Prozent der Stimmen und wurde damit Kandidatin ihrer Mitte-Links-Koalition Concertación, die sich dann mit der Kommunistischen Partei weiter alliierte, um das Bündnis “Neue Mehrheit” zu bilden. Bachelet will die gravierenden Ungleichheiten in der Gesellschaft bekämpfen, durch Reformen im Bildungssystem, in der Alterssicherung und im Gesundheitswesen, sowie durch eine höhere Unternehmenssteuer. Ihr Wahlprogramm sieht auch vor, die von der Junta erlassene konservative Verfassung zu ändern.
In der ersten Wahlrunde im November gewann Bachelet 47 Prozent der Stimmen gegen acht weitere KandidatInnen. Ihre Hauptgegnerin Evelyn Matthei, eine rechtskonservative Ökonomin und frühere Arbeitsministerin in der Piñera-Regierung, bekam 25 Prozent. Wie Bachelet ist Matthei die Tochter eines Generals der chilenischen Luftwaffe, und die beiden Frauen kannten sich als Kinder. Mattheis Vater stand aber auf der Seite der Junta, die den Tod von Bachelets Vater auf dem Gewissen und seine Familie ins Exil getrieben hat.
(Text von 2013)
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
Die Erziehung zum Staatsdienst war sehr wichtig, aber auch die Werte, die ich von zu Hause mitbekommen habe, dass die Menschen alle die gleichen Chancen haben sollten und diese auch verdienen. Es geht um den Respekt vor den anderen. Wenn beispielsweise jemand bessere Ausgangsbedingungen hat, muss er solidarisch sein mit den anderen. Ich denke, dass alle diese Werte stark dazu beigetragen haben, dass ich Ärztin werden wollte. Die Medizin ermöglichte es mir, diese Werte, die mich geprägt haben, auf angemessene Weise auszudrücken. Ich sage immer, dass ich diese Werte mit der Muttermilch aufgesogen habe. Verantwortung und Pflicht sind die Begriffe, nach denen ich von klein auf gelebt habe. (Michelle Bachelet im Januar 2009 im Gespräch mit Heike Zappe)
Links
Chile – Sie feiern sie wie eine Heilige (2005). In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.12.2005, Nr. 49 / Seite 12. (Link aufrufen)
derStandard.at (2008): Chiles Präsidentin im STANDARD-Interview: »Es wird keinen Schlussstrich geben« (Link aufrufen)
Dilger, Gerhard (2005): Die Verbündete. taz.de, 09.12.2005. (Link aufrufen)
Gerber, Elisabeth; Stiegler, Barbara (2010): Gender an der Macht? Über die Bedeutung von Geschlecht in politischen Spitzenpositionen am Beispiel von Deutschland, Chile, Argentinien und Spanien. Ergebnisbericht einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützten Tagung in Santiago/Chile. PDF-Datei, 44 Seiten. (Link aufrufen)
Humboldt-Universität zu Berlin (2009): »Ich will da sein für die Menschen in ihrem Schmerz«. Interview, geführt von Heike Zappe. Mit Video. (Link aufrufen)
Malcher, Ingo (2003): Tür an Tür mit dem Terror. taz.de, 06.09.2003. (Link aufrufen)
Perger, Werner A. (2003): Porträt: »Versöhnung ist nicht mein Wort«. In: DIE ZEIT 03/2003. (Link aufrufen)
Quiroga, Yesko (2006): Chile vor einem politischen Umbruch? PDF-Datei, 6 Seiten. (Link aufrufen)
Ruderer, Stefan: Vom »neuen Politikstil« zum Krisenmanagement in Chile. Ein Jahr Bachelet. In: GIGA Focus, Nr. 5 (2007). PDF-Datei, 8 Seiten. (Link aufrufen)
UN Women: Executive Director (Link aufrufen)
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Letzte Linkprüfung durchgeführt am 31.08.2011 (AN)
Literatur & Quellen
Quellen Presidency of the Republic of Chile. Homepage. Nicht erreichbar, Stand: 31.08.2011. (Link aufrufen)
Chile: Michelle Bachelet wird Präsidentin. Zum ersten Mal in der Geschichte Chiles und Südamerikas wurde eine Frau in das höchste Staatsamt gewählt (2006). (c) ZEIT online, dpa, 16.1.2006. (Link aufrufen)
Michelle Bachelet. Chile’s First Woman President (2006). Chile Reports. No. 25. 30 January 2006 – Nicht online erreichbar, Stand: 31.08.2011. (Link aufrufen)
BBC News (2006): The woman taking Chile's top job. 16.01.2006. (Link aufrufen)
Chilean Government Biography: Michelle Bachelet Jería. 11.09.2006 – Nicht online erreichbar, Stand: 31.08.2011. (Link aufrufen)
Munzinger Biographie (2006): Michelle Bachelet (Link aufrufen)
Wikipedia (2006): Michelle Bachelet. 10. August 2006. (Link aufrufen)
Weiterführende Literatur
Borzutzky, Silvia und Weeks, Gregory Bart (Hg.) (2010): The Bachelet government. Conflict and consensus in post-Pinochet Chile. Gainesville, Fla. University Press of Florida. ISBN 978-0-8130-3475-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Constenla, Julia (2006): Michelle Bachelet. Digo lo que pienso, hago lo que digo, palabra de mujer. Buenos Aires. Lumiere. ISBN 978-987-603-011-3. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Guzmán Bravo, Rosario; Rojas Donoso, Gonzalo (2005): La hija del tigre. Bachelet ; biografía a fondo. Santiago. RiL Editores. (Serie Identikit) ISBN 956284465X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Klocke, Karla (2006): Das Phänomen Michelle Bachelet. Die Präsidentschaftswahlen 2006 in Chile im Spiegel der internationalen Presse. B.A. Arb. Hildesheim. (WorldCat-Suche)
Martinelli, Leonardo (2007): Michelle Bachelet. La primavera del Cile. Milano. Sperling & Kupfer Ed. (Continente desaparecido, 52) ISBN 9788820042653. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Politzer, Patricia (2010): Bachelet en tierra de hombres. 2. Aufl. Santiago. Random House Mondadori. (Debate) ISBN 9789568410353. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Rinke, Stefan (2007): Kleine Geschichte Chiles. Orig.-Ausg. München. Beck. (Beck'sche Reihe, 1776) ISBN 3406548040. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Spooner, Mary Helen (2011): The general's slow retreat. Chile after Pinochet. Berkeley. University of California Press. ISBN 9780520266803. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Subercaseaux, Elizabeth; Sierra, Malú (2005): Michelle. 1. Aufl. Santiago de Chile. Catalonia. ISBN 9568303219. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Worth, Richard (2008): Michelle Bachelet. New York. Chelsea House. ISBN 0-7910-9500-2. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
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