Biographien Anne (Ninon) De Lenclos
Anne (Ninon) De Lenclos
geboren am 10. November 1620 in Paris
gestorben am 17. Oktober 1705 in Paris
französische Kurtisane, Salonnière und Philosophin
400. Geburtstag am 10. November 2020
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Ninon de Lenclos war eine, auch im heutigen Wortsinn, emanzipierte Frau: wirtschaftlich unabhängig, geistig überlegen, in Liebesdingen souverän – und frühreif: Sie begann schon mit siebzehn ihre Laufbahn als eine der berühmtesten Kurtisanen, der nicht nur Staatsmänner und Kriegshelden, sondern auch Kleriker zu Füßen lagen.
Sie heiratete jedoch nie, wohl wissend, dass sie nur so ihre Unabhängigkeit als Grundvoraussetzung ihres Lebens wahren konnte. Die Zahl ihrer Liebhaber war Legion; noch als über Achtzigjährige wurde sie von Männern heiß begehrt, sehr jungen darunter. Sie war wählerisch (Richelieu z.B. erhielt einen Korb), liebte die Abwechslung und erhob den Anspruch, dass „man von ihr in Liebesdingen nicht mehr erwarten solle als von jedem gewöhnlichen Mannsbild“: „Ich werde dich drei Monate lang lieben, das ist für mich schon eine Ewigkeit“, beschied sie einmal einen Verehrer. Folgerichtig bezeichnete sie ihre Liebschaften als “Caprices” (Launen), immer wieder betonend, “dass die Liebe, soll sie uns glücklich machen, nicht als eine ernsthafte Affäre, sondern als eine leichte und heitere Sache aufgefasst werden muss”. Die Söhne (von Töchtern ist seltsamerweise nie die Rede), die ihren zahlreichen Verbindungen entstammten, überließ sie nach ihrer Geburt den jeweiligen Vätern. Mit Kinderpflege und -erziehung hat sie sich niemals belastet. Einer dieser Söhne verliebte sich in Ninon. Als er erfuhr, dass sie seine Mutter war, nahm er sich das Leben.
Freundschaften dagegen pflegte sie ihr Leben lang, getreu einer Maxime ihres Vaters, der ihr einst geraten hatte, nicht um die Zahl ihrer FreundInnen, sondern nur um die Auswahl besorgt zu sein. Großzügig unterstützte sie in Not geratene FreundInnen mit Geld und Fürsprachen, wollte selbst jedoch niemals Geld annehmen. Vielmehr achtete sie penibel darauf, wirtschaftlich unabhängig zu bleiben.
Sie war eine der Stärksten in diesem Jahrhundert starker Frauen. Mit einigen von ihnen war sie gut bekannt, wie Madame de Sévigné, mit einigen befreundet, wie Königin Christine von Schweden, Mademoiselle de Scudéry oder Madame de Maintenon, zweite - einflussreiche - Gattin Ludwigs XIV.
Sie ließ sich nicht auf die traditionelle Frauenrolle festlegen, obwohl ihre kirchenfromme Mutter dies viele Jahre versucht hatte. “Seit ich begriffen habe, dass wir Frauen nur ein Spielball des männlichen Leichtsinns sind und dass jene die Freiheit der Entscheidung für sich allein in Anspruch genommen haben, bin ich zu dem Entschluss gekommen, wie ein Mann zu leben.“
Unterstützung fand sie viel eher bei ihrem Vater, einem adeligen Haudegen, der noch durch den Geist der Hugenottenkriege geprägt war. Auf seinen Rat hin las sie Montaigne. Ihre Erkenntnis: “Die Religionen sind nichts als Einbildungen; es ist nichts Wahres daran.” Diese skeptische Haltung spiegelt die Konsequenz wider, die ein Teil des französischen Adels aus den Hugenottenkriegen gezogen hatte, diesem letzten großen Versuch, adelige Partikularinteressen gegen die zentralistischen Tendenzen des Königshauses zu verteidigen.
Politisch entmachtet, erhielt die adelige Oberschicht nun im Hofstaat des Königs ein breites Feld gesellschaftlicher und kultureller Aktivitäten.
Ninon de Lenclos, gebildet, schriftstellerisch begabt, Meisterin des geistreichen Gesprächs, wurde zu einem der Sterne des Hof- und Salonlebens. Ein Zeitgenosse: “Es ging fein, leicht und maßvoll zu, weil es die kluge Ninon vortrefflich verstand, die Unterhaltung zu leiten.” In ihrem Salon zugelassen zu werden, in dem die Geistesgrößen ihrer Zeit wie Molière, Racine, La Rochefoucauld, La Fontaine und Lully verkehrten, verlieh erst die wirklichen gesellschaftlichen Weihen.
Junge Literaten förderte sie, und dem zehnjährigen Voltaire, Sohn ihres Vermögensverwalters, hinterließ sie ein Legat von zweitausend Livres mit der Empfehlung, sich davon Bücher zu kaufen. Er dankte es ihr, indem er später den Mythos ihrer niemals welkenden Schönheit zur Lüge erklärte und behauptete, die 84-Jährige sei verschrumpelt gewesen „wie eine Mumie“.
Interessant ist die Einschätzung des Philosophiehistorikers und Spezialisten für französische Philosophinnen John J. Conley. Er meint, dass Lenclos’ Beitrag zur Philosophie lange unterschätzt wurde wegen der Faszination, die ihr freizügiger Lebenswandel auslöste, zu ihren Lebzeiten wie auch in den folgenden Jahrhunderten: „Indem sie für Frauen und Männer das gleiche Recht forderte, nach Glück und Lust zu streben, entwickelte Lenclos eine gegenderte Version des Epikureismus und stellte sich damit offen gegen die in ihrer Zeit selbstverständliche Unterordnung der Frau.“ Ninons berühmte Briefe an den Marquis de Sévigné (Ehemann der berühmten Marquise, den später sein Sohn in der Gunst Ninons ablösen sollte) sind ein reicher Schatz philosophischer Erkenntnis insbesondere zum Verhältnis der Geschlechter. Lenclos plädiert – für ihre Zeit ganz ungewöhnlich – für deren Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung, für Gegenseitigkeit, und zwar im Interesse lustvollerer Liebesbeziehungen zwischen Männern und Frauen. Männern rät sie wieder und wieder, im Umgang mit Frauen das steife und herrische „männliche“ Gebaren abzulegen, sonst könnten sie auf die Zuneigung der Angebeteten lange warten.
(Text von 2020)
Verfasserin: Marianne Goch und Luise F. Pusch
Zitate
“Ihr Tod war ein Ereignis.” (Saint-Simon)
Literatur & Quellen
Brierre, Annie. 1971. Ninon de Lenclos: Kurtisane zur Zeit des Sonnenkönigs. Lausanne. Editions Rencontre.
Conley, John J. “Ninon de Lenclos (1620—1705)”, in: Internet Encyclopedia of Philosophy (IEP): A Peer-Reviewed Academic Resource. Online: https://www.iep.utm.edu/lenclos/
Lenclos, Ninon de. 1968. Correspondence authentique. Réimpression des l' édition de Paris, 1886. Genf.
Lenclos, Ninon. 1980. Briefe der Ninon de Lenclos. Aus dem Frz. von Lothar Schmidt. Nachwort von K.H. Kramberg. Frankfurt/M.; Berlin; Wien. Ullstein TB 30102.
Naso, Eckart von. 1950. Die große Liebende: Ein Roman um Ninon de Lenclos. Frankfurt/M. Scheffler.
Röhrig, Anna Eunike. 2010. Mätressen und Favoriten: Ein biographisches Handbuch. Göttingen. MatrixMedia.
Vergé-Franceschi, Michel. 2014. Ninon de Lenclos: Libertine du Grand Siècle. Paris. Payot & Rivages.
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