Biographien Elisabeth von Thadden
(Elisabeth Adelheid Hildegard von Thadden)
geboren am 29. Juli 1890 in Mohrungen (Ostpreußen)
hingerichtet am 8. September 1944 in Berlin
deutsche Pädagogin, deutscher Widerstand
80. Todestag am 8. September 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Nach einem zynischen Prozess unter Leitung des berüchtigten Richters Freisler am Volksgerichtshof in Berlin wurde die engagierte Pädagogin neun Monate vor Kriegsende als Verräterin enthauptet. Ihr Verbrechen: Menschlichkeit im unmenschlichen Staat. Ein Spitzel, der ihre Offenheit gegenüber jungen Menschen missbrauchte, denunzierte ihre Kontakte zu Freunden im schweizerischen Exil und zu Kreisen des Widerstandes in Deutschland.
Elisabeth von Thadden wuchs auf dem elterlichen Gut in Pommern auf, um das sie sich nach dem frühen Tod der Mutter kümmerte. Beflügelt von den Ideen Helene Langes, wusste sie, dass ihr mehr zukam als die Enge des bürgerlichen Frauendaseins.
Geprägt von christlicher Ethik und den pädagogischen Vorstellungen Kurt Hahns, gründet sie 1927 ein Internat für Mädchen in der Nähe von Heidelberg. Das Heim gewinnt Anerkennung, die Unternehmung ist erfolgreich. Elisabeth von Thaddens pädagogische Prinzipien »Verantwortlichkeit«, »Vertrauen« und »Gemeinschaft« machten sie zunächst für nationalsozialistische Ideen empfänglich – bis sie erkannte, dass Menschlichkeit damit nicht vereinbar war.
Erste Konflikte treten auf, als sie von einer Schülerin wegen »mangelnder Erziehung im neuen Sinn« denunziert wird (an ihrer Schule gab es noch immer jüdische Schülerinnen). 1941 wird ihr die Leitung der Schule entzogen »da dieses Unterrichtsunternehmen keine ausreichende Gewähr für eine nationalsozialistisch ausgerichtete Erziehung der Jugend bietet« (von der Luhe, S. 49).
Sie hat Kontakt zu Exilantlnnen in der Schweiz, hat weitverzweigte Verbindungen zu kirchlichen Kreisen, die teilweise im Widerstand engagiert sind. Sie geht nach Berlin. Eine Geburtstagsfeier ihrer Schwester wird zum Verhängnis für fast alle Anwesenden, da die politischen Bemerkungen von einem Spitzel an die Gestapo weitergeleitet werden. Opfer waren: Elisabeth von Thadden, Otto Kiep, Hilger van Scherpenberg, Fanny von Kurowsky, Irmgard Zarden. Elisabeth von Thadden und Otto Kiep werden hingerichtet.
Von den Frauen, zu denen Elisabeth von Thadden Kontakt hatte, seien hier Alice Salomon, Marie Baum und Anna von Gierke genannt.
Text aus dem Kalender »Berühmte Frauen 1990«
Verfasserin: Beate Schräpel
Zitate
Ich lernte Elisabeth von Thadden in Heidelberg bei einer gemeinsamen Freundin kennen und sah der Begegnung etwas zweifelnd entgegen. Die aus Pommern stammende Leiterin eines Erziehungsheims für junge Mädchen, die überwiegend aus Offizierskreisen waren, einer Anstalt von ausdrücklich evangelischem Charakter, hatte für mich, wie ich sie mir vorzustellen versuchte, etwas Ostelbisch-Junkerliches und zugleich Bebrilltes, Betschwesterliches, das mir nicht unangenehm, aber doch fremd war. Kaum war ich eine Viertelstunde mit ihr zusammen, als sie mir lieb und vertraut war. Man vergaß im Umgang mit ihr zunächst Herkunft, Stand, Beruf und empfand sie menschlich und persönlich, obwohl sie den Charakter ihrer Heimat und ihrer Arbeit deutlich darstellte … Von Schulwissen, Pedanterie, Fadengradheit merkte man nichts. Humor und Frohsinn machten sich bald geltend. Daß sie aufrichtig fromm war, wußten ihre Freunde; ihre evangelische Überzeugung war ihr zu selbstverständlich, als daß sie sie hätte betonen wollen. Ich glaube nicht, daß man in ersprießlicher Weise mit ihr hätte theologisieren oder philosophieren können; sie hatte wohl nie eine Periode des Zweifels durchgemacht und sich das überlieferte Glaubensgut unter Kämpfen angeeignet. Gläubigkeit war für sie so selbstverständlich wie die Liebe zum Vaterlande und zum eigenen Volke, etwas, das einem nicht genommen werden kann, womit man lebt und stirbt. Überhaupt hatte sie etwas ausgesprochen Kindliches, das im Verein mit ihrer dazu kontrastierenden Erscheinung besonders anziehend war. Es mochte sich um was immer handeln, sie ging an alles mit der Zutraulichkeit, Neugier und Unbefangenheit eines Kindes heran.
(Ricarda Huch, zitiert nach Oehme 1985, S. 148-149)
Ich wurde im Januar 1944 in Meaux in Frankreich um acht Uhr morgens festgenommen. Im Auto wurde ich von M. nach Paris gebracht, dort verhört von morgens um neun Uhr bis abends um sechs Uhr; nach einer Stunde Abendbrotzeit Fortsetzung des Verhörs während der ganzen Nacht. Im Laufe des nächsten Tages wurde die Verhaftung ausgesprochen. Es bestand mehrfache Fluchtmöglichkeit. Von dieser habe ich bewußt keinen Gebrauch gemacht, um meinen Bruder nicht zu gefährden. Dann wurde ich nach Berlin gebracht und erneut die ganze Nacht verhört. Die Schwere der Inquisition war ganz ungeheuer. Ich wurde gefragt nach der Bekennenden Kirche und nach der Una sancta. Mir ist kein Wort entschlüpft, das andere belastet hätte. Das KZ Ravensbrück war schlimm. Mit der Aktion vom 20.7. habe ich nichts zu tun gehabt, ich kenne keinen dieser Leute. Wir wollten soziale Hilfe leisten, in dem Augenblick, wo diese Hilfe nottat. Daß dieser Augenblick kommen mußte, war klar. Wir wollten barmherzige Samariter sein.
(Elisabeth von Thadden, zitiert nach Oehme 1985, S. 152-153)
Links
Elisabeth-von-Thadden-Schule Heidelberg.
Online verfügbar unter http://www.elisabeth-von-thadden-schule.de/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Wieblinger Bund e.V. Verein der ehemaligen Thaddenschüler.
Online verfügbar unter http://www.wieblingerbund.de/, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Berlin.de: Stolperstein Carmer Str. 12 – Elisabeth von Thadden. Verlegt am 17.07.2007.
Online verfügbar unter http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/lexikon/carmer12.html, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Heidelberger Geschichtsverein (2018): Elisabeth Adelheid Hildegard von Thadden. Tabellarischer Lebenslauf mit einigen Links.
Online verfügbar unter http://www.s197410804.online.de/Personen/ThaddenE.htm, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: Thadden, Elisabeth von, 1890-1944.
Online verfügbar unter http://d-nb.info/gnd/118621491, zuletzt geprüft am 26.07.2020.
Literatur & Quellen
Fischer, Ulrich (1998): Den Menschen ein Wohlgefallen. Predigten für heute. Darin: Widerstand wider Willen – Elisabeth von Thadden. Stuttgart. Calwer Verlag. ISBN 3-7668-3598-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Keckeis, Gustav (Hg.) (1953/54): Lexikon der Frau. In zwei Bänden. Zürich. Encyclios. (Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Kummerow, Walter (1987): Elisabeth-von-Thadden-Schule Heidelberg-Wieblingen. 1927-1987. Annäherung an eine 60jährige Schulgeschichte. Heidelberg. ABC-Druck. (WorldCat-Suche)
Lühe, Irmgard von der (1980): Eine Frau im Widerstand. Elisabeth von Thadden und das Dritte Reich. Freiburg im Breisgau. Herder (Herderbücherei, 785). ISBN 3-451-07785-X. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Mayr, Hans (Hg.) (1984): Glaubenszeugen der Einen Kirche. 57 Lebensbilder für die Wochen des Kirchenjahres. Darin: Elisabeth von Thadden. 1890-1944 von Reinhard Mumm. S. 114–115. Kassel. Stauda (Kirche zwischen Planen und Hoffen, 30). ISBN 3-7982-0181-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Oehme, Werner (1985): Märtyrer der evangelischen Christenheit. 1933 - 1945. 29 Lebensbilder. Darin: Elisabeth von Thadden [20.7.1890-8.9.1944]. S. 148-154. Berlin. Evangelische Verlagsanstalt. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Riemenschneider, Matthias (Hg.) (2002): Elisabeth von Thadden. Gestalten, Widerstehen, Erleiden. Karlsruhe. Hans-Thoma-Verlag, 2003 (Edition Zeitzeugen). ISBN 3-87297-148-4. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Stempfle, Anne-Rose (1997): Frauen, die sich trauen. Christinnen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Beispiel von Corrie ten Boom und Elisabeth von Thadden. Theologische und didaktische Aspekte im Blick auf die Grundschule. Wissenschaftliche Hausarbeit. Weingarten. Pädagogische Hochschule.
Zimmerling, Peter (Hg.) (2005): Evangelische Seelsorgerinnen. Biografische Skizzen, Texte und Programme. Darin: Elisabeth von Thadden (1890-1944). Eine engagierte Pädagogin und Querdenkerin von Marlene Schwöbel. S. 247-263. Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. ISBN 3-525-62380-1. (Amazon-Suche | Eurobuch-Suche | WorldCat-Suche)
Bildquellen
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