(Esther Duflo)
geboren 25.10.1972 in Paris
französisch-amerikanische Entwicklungsökonomin, Nobelpreisträgerin 2019
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Wenn es jemals einen Shootingstar auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften gab, dann Esther Duflo. Mit 46 hatte sie praktisch alle Wirtschaftspreise gewonnen, die es gibt, darunter den MacArthur “genius grant” und - 2019 - den Nobelpreis (zusammen mit ihrem Ehemann und MIT-Kollegen Abhijit Banerjee und Michael Kremer aus Harvard). Duflo ist die jüngste Wirtschaftsnobelpreisträgerin aller Zeiten und die zweite Frau, die diesen Preis erhielt (die erste war die US-Amerikanerin Elinor Ostrom im Jahr 2009, und 2023 folgte Claudia Goldin).
Duflos originelles Denken geht einher mit einer unermüdlichen Energie und einem starken Engagement für die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Welt. Ihr und ihren Kollegen wird zugeschrieben, die Entwicklungsökonomie revolutioniert zu haben, deren Ziel es ist, die Ursachen der Armut in der Welt zu verstehen und zu beheben. Ihre bahnbrechende Innovation bestand darin, die aus der Medizin bekannte wissenschaftliche Methode randomisierter Studien anzuwenden, um verschiedene Maßnahmen zur Linderung der Armut und damit verbundener Probleme zu bewerten. So konnten sie beispielsweise nachweisen, dass Mikrokredite nicht durchgängig zu einer Anhebung der Löhne führten, oder herausfinden, wie Kinder in den Dorfschulen besser lernen können. Gemeinsam mit Banerjee hat Duflo diese bahnbrechenden Forschungen durch zahlreiche Veröffentlichungen einem breiten Publikum zugänglich gemacht, darunter zwei Bestseller, Poor Economics (2011) und Good Economics for Hard Times (2019). Ebenso wichtig ist, dass sie 2003 das Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab (J-PAL) des MIT mitbegründet hat und derzeit mit leitet, das in unzähligen Projekten auf der ganzen Welt die Theorie in die Praxis umgesetzt hat.
Als Tochter eines Ärztin und eines Mathematikprofessors wurde Duflo schon als Kind zur Selbstständigkeit ermutigt: Im Alter von fünf Jahren reiste sie allein mit dem Zug von ihrem Wohnort westlich von Paris zu einer Cousine, die näher an der Stadt wohnte. Wie sie später feststellte, “war ich nicht sehr gewillt, mir meine Pläne durchkreuzen zu lassen” (Parker). Duflos Mutter, eine Kinderärztin, verbrachte jedes Jahr einige Zeit im Ausland, um junge und jüngste Kriegsopfer zu behandeln, und vermittelte ihrer Tochter schon früh Verantwortungsgefühl für das Wohl anderer.
Duflo wurde an der renommierten École Normale Supérieure aufgenommen, wo sie Geschichte und Wirtschaftswissenschaften studierte. 1993 verbrachte sie zehn Monate in Moskau, unterrichtete Französisch und schrieb ein Geschichtsreferat. Während dieser Zeit arbeitete sie auch als Forschungsassistentin für einen französischen Ökonomen und für den US-amerikanischen Ökonomen Jeffrey Sachs und erkannte allmählich, dass “die Ökonomie das Potenzial hat, als Hebel in der Welt zu wirken” (Parker).
Nach ihrem Abschluss ging Duflo ans M.I.T., wo sie in den Kursen von Abhijit Banerjee, ihrem späteren Ehemann, zum ersten Mal mit dem Gebiet der Entwicklungsökonomie in Berührung kam. In ihrer Dissertation wies sie anhand früherer Daten zum ersten Mal für ein Entwicklungsland (Indonesien) nach, dass Bildung zu höheren Löhnen führt. Ihre Arbeit war so beeindruckend, dass ihr an fast jedem erstklassigen wirtschaftswissenschaftlichen Department in den USA eine Stelle angeboten wurde; das M.I.T. handelte sogar gegen seine übliche Praxis, eigene Absolventinnen* nicht einzustellen, und berief sie als Assistenzprofessorin.
Nach einem Ansatz, den der junge M.I.T.-Professor Michael Kremer erstmals ausprobierte, begann Duflo, randomisierte Experimente zu entwickeln, um verschiedene Hypothesen und Praktiken in Entwicklungsländern, insbesondere in Indien und Kenia, zu testen. So reiste sie von Dorf zu Dorf, um zu testen, ob sich indische Dorfbewohnerinnen* durch Aufklärung - mittels Spielszenen mit positiven Inhalten über weibliche Führungspersönlichkeiten - zur Akzeptanz weiblicher Führung bewegen lassen oder ob sie bereits eine weibliche Dorfvorsteherin erlebt haben müssen, um sich eine solche vorstellen zu können. Ein anderes Experiment ergab, dass Eltern durch kleine Anreize und eine günstige klinische Gelegenheit dazu motiviert werden konnten, ihre Kinder impfen zu lassen. Analog dazu konnten Landwirtinnen* dazu angeregt werden, Dünger für die nächste Saison zu kaufen, bevor sie das Geld ausgaben, das sie mit ihrer Ernte verdient hatten, was zu einer reicheren Ernte im folgenden Jahr führte.
Die Arbeit von Duflo und ihren Kolleginnen* im Poverty Action Lab hat solche Experimente auf der ganzen Welt verbreitet. Sie arbeiten mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Spenderinnen* zusammen, um Forschung zu betreiben, Auswirkungen zu messen und Programme im globalen Kampf gegen die Armut zu entwickeln und auszuweiten. Auf der Website heißt es: “Unsere Mission ist es, Armut zu reduzieren, indem wir sicherstellen, dass die Maßnahmen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Wir tun dies durch Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen.” Derzeit (2020) haben die mit J-PAL verbundenen Forscherinnen* 1044 laufende und abgeschlossene randomisierte Evaluationen in 89 Ländern. Die neue Gender and Economic Agency Initiative (GEA) von J-PAL, die von der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert wird, zielt zum Beispiel darauf ab, eine solide Grundlage für Strategien und Programme zur Förderung von Frauenarbeit und zur Stärkung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit von Frauen in Ostafrika und Südasien zu schaffen.
Verfasserin: Joey Horsley
Zitate
Duflo hofft, dass ihr Nobelpreis Frauen inspiriert: “Zu zeigen, dass es für eine Frau möglich ist, erfolgreich zu sein und für ihren Erfolg anerkannt zu werden, wird hoffentlich viele, viele andere Frauen dazu inspirieren, weiter zu arbeiten, und viele andere Männer dazu, ihnen den Respekt zu geben, den sie verdienen, wie jeder einzelne Mensch” (“Nobelpreisträgerin für Wirtschaft: Ich möchte Frauen inspirieren”, BBC News, 14.10.2019)
Sie hofft, dass Frauen durch den Preis erkennen, dass Wirtschaft “nicht nur heißt, Krawatten und Anzüge zu tragen und über Makroökonomie und Finanzen nachzudenken. Es geht auch darum, die Welt zu verbessern - die Welt zu einem besseren Ort zu machen.” (Esther Duflo: “Nobelpreis wird ein Megaphon sein” BBC News. 15. Oktober 2019).
Literatur & Quellen
Banerjee, Abhijit V.; Duflo, Esther (2011). Poor Economics: A Radical Rethinking of the Way to Fight Global Poverty. New York: PublicAffairs. ISBN 9781610390408.
Banerjee, Abhijit V.; Duflo, Esther (2019). Good Economics for Hard Times: Better Answers to Our Biggest Problems. PublicAffairs. ISBN 978-1-61039-950-0.
Cowan, Tyler. “Esther Duflo on Management, Growth and Research in Action.” Interview. Conversations with Tyler. Episode 82. December 18, 2019.
“Esther Duflo: 'Nobel Prize will be a megaphone.'” BBC News. 15 October 2019.
Esther Duflo. Wikipedia.
“Nobel economics prize winner: I want to inspire women.” BBC News 14 Oct. 2019
Parker, Ian. “The Poverty Lab: Transforming development economics, one experiment at a time.” May 10, 2010. The New Yorker. Profiles, May 17, 2010 issue.
The Poverty Action Lab (website of Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab at M.I.T.)
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