(Jannetje Johanna „Jo“ Schaft )
geboren am 16. September 1920
von Nazis erschossen am 17. April 1945 in den Dünen bei Overveen
niederländische Widerstandskämpferin
100. Geburtstag am 16. September 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Am 27. November 1945 wurde der in den Dünen von Bloemendaal verscharrte Leichnam von 'Hannie' Schaft, einer bei ihrer Ermordung vierundzwanzigeinhalb Jahre alten Juristin, Pazifistin mit marxistischen Überzeugungen und Inbegriff des Widerstands gegen den Naziterror in den Niederlanden, in Anwesenheit von Königin Wilhelmina, Prinzessin Juliana und Prinz Bernhard sowie tausenden von NiederländerInnen auf dem Ehrenfriedhof Bloemendaal in Overveen (bei Haarlem) mit militärischen Ehren beerdigt. 1946 wurde ihr posthum das Wilhelmina–Widerstandskreuz 1940–1945 verliehen. Im selben Jahr erhielt sie auf Befehl des US-Oberbefehlshabers Dwight D. Eisenhower die Medal of Freedom der USA.
Am 16. September 1920 war die zweite Tochter der Lehrerin Aafje Talea Vrijer und des Lehrers Pieter Schaft, getauft als Jannetje Johanna Schaft, in Haarlem geboren worden. Wie alle niederländischen Kinder erhielt sie sofort einen kurzen Kosenamen: Jo oder auch Jopie. ('Hannie' wählte sie später als konspirativen Decknamen.) Beiden Eltern blieb ein Universitätsstudium mangels Geld verwehrt, obwohl beide durch ausnahmslos hervorragende Leistungen auffielen. Aafjes Elternhaus war eine sozialistisch gesinnte Mennoniten-Predigerfamilie. Pieter teilte die Einstellungen vieler seiner KommilitonInnen, von denen einer bald danach die sozialdemokratische Partij van de Arbeid mitbegründete.
Als Jo sieben Jahre alt war, starb die fünf Jahre ältere Schwester Annie an Diphtherie. Der Schock führte die Eltern dazu, die ohnehin in sich gekehrte zweite Tochter Jopie noch stärker als bisher zu behüten und zu gängeln. Schulfreundschaften gab es keine, Klassenkameradinnen kamen nicht mit nach Hause, Geselligkeiten außerhalb der Schule mied sie und vergrub sich in alle Bücher, derer sie habhaft wurde. Sie war fast immer die Klassenbeste, wurde aber wegen ihrer auffallend roten Haare unablässig gehänselt. Von allen Zeitgenossinnen wird sie als sehr liebes, aber schüchternes Mädchen beschrieben. Niemand hat sie lachen sehen. Einige ihrer Schulaufsätze sind erhalten und zeugen — teilweise mit beißender Ironie — von rationaler Bewunderung für Pazifisten und Antifaschisten ebenso wie von Abscheu gegen Kriegstreiber und Gewaltverbrecher, die Menschen foltern und ermorden, weil sie Juden sind oder politisch anders denken.
Nach ihrer Reifeprüfung mit Bestnoten, u.a. in Deutsch, entscheidet sie sich für das Studium der Rechte und holt dafür mühelos bei einem pensionierten Gymnasialdirektor die Staatsexamina für Latein und Griechisch nach. Weil es aber keine glatte 1 war, durfte das Zeugnis nie wieder erwähnt werden. Lehrerin will sie, trotz elterlicher Ermutigung, nicht werden, weil sie an ihrer Fähigkeit zweifelt, in einer Schulklasse für Ordnung und Diziplin zu sorgen. 1938 wird sie an der Gemeente Universiteit Amsterdam immatrikuliert — das Jahr des 'Anschlusses' von Österreich und der Besetzung des Sudetenlandes —, und schließt sich der Studentinnenvereinigung an. Hier lernt sie studentischen Schabernack kennen und beteiligt sich vorbehaltlos, wenn auch nicht sehr gerne daran. Sie widmet sich geradezu besessen ihrem Studium, wofür sie auch weite Wege nicht scheut. Sie besucht Lehrveranstaltungen bei Prof. Dr. H. J. Pos, einem erklärten Antifaschisten, aber notgedrungen auch bei zwei Professoren, die die niederländische Nazipartei unter Führung des Anton Mussert unterstützen.
Daneben sammelt sie eifrig Geldspenden für Flüchtlinge aus dem spanischen 'Bürgerkrieg'. Sie freundet sich mit zwei jüdischen Kommilitoninnen, Philine Polak und Sonja Frenk, an und erlebt zum erstenmal gesellige Dreisamkeit. Mit anderen Frauen gründet sie einen neuen Frauenclub innerhalb der Studentinnenvereinigung. Am 10. Mai 1940 werden die Niederlande vom Krieg überzogen. Jo Schaft kommt erst nach Tagen von ihren Eltern in Haarlem zurück nach Amsterdam und sucht ihre jüdischen Freundinnen. Sie besteht mehrere Zwischenprüfungen und am 1. Juli das erste Examen. Danach wird das ständige Pendeln zu viel und sie zieht mit zwei anderen Kommilitoninnen in eine Dachkammer-Wohngemeinschaft im Süden Amsterdams. Jo ist inzwischen eine attraktive junge Frau geworden, die sich schnell an einen freieren Umgang mit Menschen gewöhnt hat. Allerdings bleiben männliche Altersgenossen zumeist auf Distanz, aus Furcht vor ihrer scharfen Zunge.
Nach dem schnellen Überrennen der Niederlande durch die Deutschen hatten viele die Hoffnung, die Besatzer würden es damit bewenden lassen. Aber im Oktober 1940 beginnen diese mit der Entfernung von 'nichtarischen' Staatsdienern, darunter auch Hochschullehrern, und wie die meisten Studierenden ergreift auch Jo eine tiefe Sorge um die Zukunft. Amsterdam erlebt immer mehr gewalttätige Aufmärsche von holländischen Nazis und deren Unterstützern, und bald ist an ein geordnetes Studium nicht mehr zu denken. Nachdem im Februar 1941 der erste Gegendemonstrant bei einem Naziüberfall getötet worden ist, kommt es zu Unruhen. Die Besatzer versuchen diese zu unterdrücken, indem sie am 22./23. mehr als 400 Juden verhaften und verschleppen. Daraufhin tritt am folgenden Wochenende die große Mehrzahl der Niederländer einschließlich der Studierenden in einen Generalstreik, den die Deutschen nach mehreren Tagen mit brutaler Gewalt beenden. Es werden viele von Patrouillen erschossen. Jo Schaft kommt montags nichtsahnend aus Haarlem, sieht mit Erstaunen was geschieht und reiht sich ein — trotz Widerwillen gegen Menschenmassen. Dies wird zu einem Wendepunkt in ihrem Leben und auf dem Weg in den aktiven Widerstand.
Im Frauenclub Gemma ('Gemmare e minoribus appetimus’) wird heftig über die immer zynischeren Einschränkungen für Jüdinnen und Juden und die Notwendigkeit des Widerstandes diskutiert. Jo Schaft vertritt dabei stets brillant formulierte Positionen, die so rot sind wie ihr Haar. Als die Eltern der drei Frauen in der Wohngemeinschaft die finanzielle Unterstützung aufkündigen, zieht Jo zurück nach Haarlem zu ihren Eltern. Dort verbirgt sie auch über längere Zeit ihre jüdischen Freundinnen, für die sie in der Umkleide des Stadtbades zwei Personalausweise von ähnlich aussehenden jungen Frauen stiehlt. Bei den Großrazzien im Juli und August gegen Juden, die zum 'Arbeitseinsatz' nach Deutschland deportiert werden sollten, verschaffen Jo und andere den beiden so verschiedene Untertauchmöglichkeiten. Trotz all dieser Bemühungen wurden sie schließlich doch in KZ's ermordet.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt erscheint es richtiger, nicht mehr von Jo, sondern von Hannie Schaft zu reden, denn dies war ihr selbstgewählter Tarnname im Untergrund. Viele ZeitgenossInnen haben Beiträge zu Ton Kors' Biographie Hannie Schaft, Die Lebensgeschichte einer Frau im Widerstand gegen die Nazis, Amsterdam 1976, geschrieben, aus denen klar wird, dass sie schon seit längerem regelmäßig Ausweise, amtliche Dokumentenvorlagen, Essensmarken, Uniformteile und sogar Naziausweise erbeutete, die zum Schutz von Nazibedrohten weitergeleitet wurden. Daneben sammelte sie mit Erfolg Geld und Lebensmittel für in Lager Verschleppte. Derweil verschärfen die Besatzer ihre Repressalien gegen Angehörige der Universitäten immer weiter. Es wird verfügt, dass alle AbsolventInnen eine Zeitlang in Deutschland arbeiten müssen. Alle Studierenden müssen eine Loyalitätserklärung gegenüber Nazi-Deutschland, der Wehrmacht und allen linientreuen Dienststellen der Niederlande unterschreiben. 85 % aller Studierenden verweigern die Unterschrift, und das universitäre Leben verlagert sich in Cafés, Privatwohnungen und geheime Versammlungsorte. Auch Hannie legt eine ihrer letzten Zwischenprüfungen im Bahnhofsrestaurant von Amsterdam Centraal ab.
Hannie kehrt endgültig nach Haarlem zurück. Dort, im bislang etwas verschlafenen, gutbürgerlichen Musterstädtchen, haben DenunziantInnen und Nazikollaborateure ein Klima der Angst und des Misstrauens geschaffen, verschärft durch willkürliche Exekutionen und alltäglichen Terror. Anfang 1943 herrscht bereits Lebensmittelknappheit, die sich allerdings fortschreitend verschärft. Dennoch gibt es auch Hoffnung: Durch illegale Rundfunksender wissen die HaarlemerInnen von Stalingrad, dem Vorrücken der Alliierten, und in vielerlei Weise macht sich die Aktivität des Widerstands im täglichen Leben bemerkbar. Rund um die MacherInnen der Zeitung der kommunistischen Partei CPN entsteht eine Gruppierung, aus der bald der Raad van Verzet (Widerstandsrat) RVV erwächst. Dessen Aktivitäten gehen weit über das Bisherige hinaus: Es werden zentral geplante Sabotageakte und Attentate auf Kollaborateure, Nazigrößen und Verräter durchgeführt. Mitglieder werden sehr sorgfältig ausgewählt und auf ihre Verlässlichkeit geprüft, und Hannie Schaft lernt sie alle kennen, darunter die Schwestern Freddy und Truus Oversteegen (die heute noch leben). Im RVV finden sich neben Kommunisten calvinistische Christen mit Freidenkern, Anarchisten, Trotzkisten und Sozialisten zusammen. Dass eine derart heterogene Widerstandsorganisation über die lange Zeit bis kurz vor der deutschen Kapitulation diszipliniert zusammenarbeiten konnte, darf als ein über Ideologien erhabener Akt der Selbstbehauptung verstanden werden. Erst als der Kriegsausgang unzweifelhaft erschien, mischten sich immer mehr Abenteurer, Spitzel und Opportunisten dazwischen.
Die deutschen Besatzer reagierten auf jeden geglückten Anschlag mit Massenerschießungen und –deportationen. Für Hannie, die die Gerechtigkeit immer als den vornehmsten aller Werte betrachtete, war dies Anlass, Kontakt zum Widerstandsrat RVV zu suchen. Wie dieser im Sommer 1943 zustandekam, kann mangels lebender Zeitzeugen nicht mehr rekonstruiert werden. Jedenfalls erschien sie bald regelmäßig zu deren Treffen. Nach dem Krieg will sie zwar die Gewaltfreiheit Gandhis als Juristin beim Völkerbund zur Wirkung bringen, aber jetzt lernt sie schießen und trainiert viel, zumeist mit dem Hitzkopf Jan Bonekamp, den sie wohl nicht nur verehrt. Ihr erster allein auszuführender Auftrag bringt sie mit den Schwestern Oversteegen zusammen, die in Drenthe einen deutschen Luftwaffenstützpunkt auskundschaften. Daraus entsteht ein Triumfeminat, das bis zuletzt zusammenarbeitet. Wie alle RVV-Mitglieder verteilt sie per Fahrrad Flugblätter und Plakate und transportiert Waffen und Munition.
Am 27. November versuchen Hannie, Jan Bonekamp und zwei weitere RVVer, mit einem selbstgebauten Sprengsatz nächtens ein Elektrizitätswerk bei Beverwijk lahmzulegen. Der äußerst riskante Anschlag gelingt nur teilweise, die Stromerzeugung kann weitergehen. Die von dem SS-Sturmbannführer und Leiter der SD-Außenstelle Amsterdam Willy Lages kommandierte Organisation Silbertanne, die schon zahllose Meuchelmorde ausgeführt hatte, erschießt die Geschäftsführer des E-Werkes nachts in ihren Wohnungen.
Wegen ihrer hervorragenden Deutschkenntnisse wird Hannie beauftragt, sich an deutsche Uniformträger heranzumachen, um die militärischen Anlagen des 'Atlantikwalls' auszukundschaften und zu kartographieren. Dies gelingt ihr mithilfe eines ausgezeichnet gefälschten Sonderausweises so gut, dass die Royal Air Force am 26. März 1944 einen darauf fußenden verheerenden Luftangriff auf die deutschen Stellungen fliegen kann, der nur den U-Boothafen nicht zerstört. Einige Widerständler misstrauen ihr deswegen allerdings und verdächtigen sie des Verrats. Jan Bonekamp erschießt zahlreiche weitere holländische Kollaborateure, SS-Angehörige und Spitzel. Ob und wie oft Hannie daran beteiligt war, kann nicht mehr geklärt werden. Gegenüber Vertrauten lässt sie aber keinen Zweifel an ihrer Beteiligung aufkommen. Auf deutschen Fahndungsbefehlen erscheint sie als 'das rothaarige Mädel', namentlich ist sie nicht bekannt. Lages' 'Silbertanne' liquidiert zur Rache wahllos Verdächtige und Unverdächtige, sogar einen Chirurgen, der einen der ihren nicht retten kann.
Ermutigt durch Nachrichten von einer bevorstehenden alliierten Invasion beschließt der Widerstandsrat, Waffen und Munition aus vielen verstreuten Lagern in Noord-Holland in ein Zentrallager in Limmen (nahe Castricum) zusammenzuführen. Hannie und Jan übernehmen dies mit zwei anderen und transportieren Fahrradtaschen voll davon auf kleinen Wegen und Straßen, trotz allgegenwärtiger Kontrollen. Am 6. Juni 1944 erfährt auch Haarlem von der Landung in der Normandie, und alle rechnen mit einem baldigen Ende des Krieges.
Am 21. Juni 1944 kommt es zur Katastrophe. Hannie und Jan radeln nach Zaandam, wo sie zuvor genaue logistische Erkundungen gemacht hatten, um den Polizeihauptmann Ragut zu töten. Dieser stand auf der Lohnliste des deutschen Sicherheitsdienstes SD und hatte den Nazischergen gegen reichliche Prämien unzählige Opfer ans Messer geliefert. Auf dem Weg in sein Büro wird er von Hannie Schaft vom Fahrrad geschossen und tödlich verletzt. Jan Bonekamp geht heran, um gegebenenfalls den Gnadenschuß zu geben, Ragut richtet sich noch einmal auf, schießt und trifft Bonekamp ebenfalls. Dieser schleppt sich davon, wird aber der Polizei angezeigt und vor seinem Tod mit Medikamenten vollgepumpt, um ihn zum Reden zu bringen. Wahrscheinlich verrät er dabei in Agonie dem vermeintlichen Freund Emil Rühl den Ort von Hannies Unterschlupf.
Hannie ist zwölf Wochen lang völlig verstört und zu keiner Aktion fähig. Sie taucht endgültig unter und bricht alle privaten Kontakte ab, obwohl ihre Eltern in Geiselhaft genommen werden. Dann nimmt sie ihre Widerstandsarbeit mit noch größerer Entschlossenheit wieder auf. Der RVV schickt sie und Truus Oversteegen nach Wassenaar, um sich dort verkleidet als 'reichsdeutsche' Mädchen an deutsche Offiziere heranzumachen und die Stellungen der V2-Raketen auszukundschaften. Die höchsten Dienstgrade erreichen sie zwar nicht, können aber entscheidende Lagepläne weiterreichen. Die Tatsache, dass die Deutschen offenbar Frauen mit vollen Satteltaschen für wenig verdächtig halten, nutzen sie im großen Stil dazu aus, Waffen zu transportieren und versteckte jüdische Kinder in Sicherheit zu bringen. Hannie erfährt dabei, dass ihr Herz viel weicher ist, als sie gedacht hatte und sie den Anblick von jahrelang im Keller versteckten Kindern schwerer erträgt als bewaffnete Feinde. Hannie leidet an tiefen Depressionen, beteiligt sich aber an einem Anschlag auf drei leitende Beamte der Haarlemer Staatspolizei, Vasallen des Willy Lages, unter Inspektor Fake Krist, die dort ein wahres Schreckensregime führen und unzählige Opfer auf dem Gewissen haben. Zwei der Beamten werden getroffen, können aber noch zurückschießen. Hannie erleidet einen Durchschuss des Oberschenkels. Krist entkommt. Nach wenigen Tagen nimmt sie ihre Vollzeit-Kurierinnen- und Ausspähdienste wieder auf. Krist überlebt vier weitere Anschläge. Am 25. Oktober 1944 wollen Hannie und Truus einen erneuten Versuch unternehmen, ihn zu liquidieren. Als sie ihn früh morgens kommen sehen, steigen sie auf ihre Räder und fahren auf ihn zu. Es fallen fünf Schüsse, alle davon treffen Krist tödlich, aber abgefeuert von einer anderen Widerstandsgruppe.
Dies ist symptomatisch für eine problematische Entwicklung unter unkoordinierten Widerstandsgruppen. Der RVV fordert alle auf, die Kräfte zu bündeln, auch mit Gruppen in benachbarten Orten. Hannie Schaft und die Oversteegens übernehmen auch dort viele Aufträge, für die sie keinen Dank erhalten und die sich zum Teil als Schieber- und Schwarzmarktgeschäfte herausstellen. Was sie nicht wissen ist, dass die meisten Zellen inzwischen gründlich mit Agenten und Spitzeln infiltriert sind, sie sehen nur, wie immer mehr MitstreiterInnen in Fallen laufen und umgebracht werden. Deshalb, und weil Prinz Bernhard den Widerstand über Rundfunk auffordert, angesichts des nahen Kriegsendes die Waffen niederzulegen, beschränken sie sich über den sehr kalten Hungerwinter, in dem Hunderte in der Provinz Holland verhungern und erfrieren, auf Kurier- und Informationsaufgaben. Die Deutschen dagegen verschärfen den Terror sogar noch weiter, so dass die drei Frauen die Anweisung bald ignorieren und bis März 1945 drei weitere der schlimmsten Bluthunde erschießen.
Am 21. März gerät sie mit Satteltaschen voller illegaler Zeitungen und ihrer Pistole in der Handtasche in eine deutsche Kontrolle. Sie wird festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Nach wenigen Stunden fährt sie Willy Rühl nach Amsterdam. Daher können ihre Mitstreiterinnen, die von Zeuginnen alarmiert werden, auch keinen Befreiungsversuch mehr unternehmen. Erst allmählich dämmert es den Schergen, wen sie da gefangen haben. SS-Führer Lages wird unterrichtet, und man unterzieht Hannie den üblichen Quälereien und Erniedrigungen. Sie gesteht ihre Beteiligung an verschiedenen Anschlägen ein, macht aber keine für andere gefahrbringenden Angaben. Mitgefangene erinnern sich, dass ihr infolge der Einzelhaft mit ständigem Schlafentzug zusehends die Kräfte schwanden, Anfang April nahm sie kein Essen und fast nichts mehr zu trinken an.
Es gab ein Übereinkommen der deutschen Besatzungsmacht mit der 'Binnenländischen Miliz', dass keine Erschießungen von Frauen mehr genehmigt werden, selbst wenn sie mit der Todesstrafe bedrohter Taten verdächtigt wurden. Stattdessen sollten sie in KZs deportiert werden. Rachsüchtige Untergeordnete gaben zwar immer wieder Befehl zu Massenerschießungen von Frauen, aber die Vorgesetzten kassierten diese stets, auch wenn klar war, dass eine Deportation nicht mehr möglich war. Willy Lages gab trotzdem den Befehl, Hannie Schaft zu erschießen. Beim späteren Kriegsverbrecherprozeß versuchten er und sein Vorgesetzter, sich die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe zu schieben.
Am 17. April 1945 wird Hannie aus ihrer Zelle geholt. Sie ahnt offenbar, was ihr bevorsteht und schreit das ganze Gefängnis zusammen. Sie wird in die Dünen bei Overveen gefahren und auf dem Weg zum Strand vom hinter ihr gehenden Schmitz angeschossen. Sie schreit 'Au'. Daraufhin zielt der zweite Henker Kuijpers mit der Maschinenpistole auf ihren Kopf und sie fällt tot zu Boden. In einer flachen Mulde im Sand wird sie notdürftig verscharrt. Weniger als drei Wochen später kapituliert Nazi-Deutschland, und Hannie wird unter den Hunderten von in den Dünen verscharrten Opfern sofort erkannt, denn ihre roten Haare schauten noch heraus.
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Die ersten Jahre nach der Befreiung und der öffentlichen Ehrung Hannies gedenken alljährlich Tausende der ermordeten Widerstandskämpferin. Damit ist 1951 erst einmal Schluss. Die Staatsmacht fährt Polizeihundertschaften und vier Panzer auf, um sie zu unterbinden. Der Kalte Krieg, und 1956 die Niederschlagung des Ungarnaufstandes, führen im Westen zu hysterischen Reaktionen auf alles Kommunistische. Erst mit dem Abflauen der Kommunistenhatz Ende der 1970er-Jahre wird das Andenken wieder gestattet, und im Mai 1982 wird in Anwesenheit von Prinzessin Juliana eine von Truus Menger-Oversteegen geschaffene Bronzeskulptur Frau im Widerstand im Kenaupark in Haarlem zu ihren Ehren aufgestellt.
SS-Sturmbannführer Lages wird 1949 von einem niederländischen Kriegsverbrechertribunal wegen Judenverfolgung, Folter, Brandstiftung und den Silbertanne-Morden zum Tode verurteilt. Königin Wilhelmina verweigert die Unterschrift trotz heftiger öffentlicher Proteste und verwandelt das Urteil in lebenslange Freiheitsstrafe. Nach einigen Jahren in der Haft in Breda läßt er sich eine lebensbedrohliche Herzerkrankung mit geringer Lebenserwartung attestieren. Daraufhin wird ihm ein höchstens 3-monatiger Hafturlaub genehmigt, den er mit sofortiger Ausreise in die Bundesrepublik antritt. Da aus der BRD keine Auslieferung nach Holland möglich war, erlebte W. Lages in Braunlage bei einem alten Nazi-Freund noch einen ungestörten Lebensabend bis 1971.
Verfasserin: Hans Reiners
Zitate
Ja, was für eine Rolle spielt der Völkerbund hier nun eigentlich? Wahrscheinlich bin ich doch furchtbar dumm, aber ich verstehe es nicht. Warum beeilen sie sich nicht ein bisschen mit schnelleren Sanktionen? … Es war doch schon lange vorher klar, dass Mussolini Krieg wollte… Mussolini muss Abessinien doch dringend Kultur beibringen, in Form von Giftgas, Bomben und anderen humanen Waffen.
(Zu Mussolinis Vorgehen in Abessinien: )
„Ich werde versuchen, noch Bruchstücke meines alten Ichs zu retten. Aber das geht wahrscheinlich nicht mehr. Die Leute sind in so einer Feststimmung. Ich sitze daneben wie ein lächelnder Buddha und man erwartet, dass ich auch in Feststimmung bin. Am liebsten würde ich fluchen.
(An die jüdische Freundin Philine Polak, über ihren Gemütszustand nach Jan Bonekamps Tod)
Ich werde noch einmal in einem schönen Sarg mit der Trikolore darauf und der Königin dabei begraben.
(Zu ihrer Freundin Freddy Oversteegen über ihre Zukunft)
Links
https://www.nytimes.com/2023/07/07/obituaries/hannie-schaft-overlooked.html
Literatur & Quellen
Ton Kors, Hannie Schaft; Het levensvehaal van een vrouw in het verzet tegen de nazi's. Van Gennep, Amsterdam 1976
Theun de Vries, Het meisje met het rode haar. Roman uit de jaren 1942–1945. EM. Querido, Amsterdam 1956
Ds Jan Derk Domela Nieuwenhuis Nyegaard, Liever dood dan slaaf (Ljeaver duad as slav); De Bloedbroederschap van de Scholtenhuiszolder. Groenste Media Groningen 2011
Ed. Peter Hammann et al., Lizzy, 126 dagen tulpentaart en appelschilletjesthee; uit het WO II dagboek van Lizzy Krelage-Keppel Hesselink; In de Blije Druk, Haarlem 2015
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