geboren am 19. September 1851 in Harburg bei Hamburg
gestorben am 5. Januar 1937 in Berlin
deutsche Frauenrechtlerin; Pionierin der Mädchenbildung
85. Todestag am 5. Januar 2022
Biografie • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
“Verehrte Frau Kettler, gehen Sie in Ihr Haus und erziehen Sie Ihre Kinder, wenn Sie welche haben. Das hat Sinn. Aber verschonen Sie die Welt mit Ihren Reformen, Sie blamieren sich fürchterlich damit!”
Dieser Text war 1903 in einer süddeutschen Zeitung zu lesen. Die gefürchteten Reformen bestanden darin, auch Mädchen die Möglichkeit zu geben, das Abitur abzulegen und zu studieren. Hedwig Kettler selbst hatte nur eine höhere Töchterschule besucht, wo ihr als Vorbereitung auf ihr Leben als Hausfrau und Mutter eine gewisse Halbbildung vermittelt worden war.
Am 30. März 1888 gründete sie gemeinsam mit gleichgesinnten Frauen den “Frauenverein Reform”, später “Verein Frauenbildungsreform”, um die Forderung nach gleicher Bildung für Mann und Frau durchzusetzen. Auf ihre Initiative geht die Gründung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe 1893 zurück. Dem Entstehen einer ähnlichen Einrichtung in Hannover 1899 hat sie den Weg geebnet.
Geboren am 19. September 1851 als Tochter einer Eisenbahnbeamtenfamilie, wuchs Hedwig Friederike Karoline Auguste Reder in Osnabrück auf. 1880 heiratete sie ihren Vetter Julius Kettler; das Paar bekam zwei Töchter.
Hedwig nennt sich jetzt Frau J. Kettler, wobei sie den Buchstaben “J” zeitweise zu “Johanna” ergänzt zur Erinnerung an die kämpferische Jungfrau von Orléans. In Reden und Zeitschriftenartikeln wird sie nicht müde zu betonen, daß “in der Wiege unsere Töchter nicht unwissender waren als unsere Söhne, sie sind es erst jetzt, nachdem sie erzogen sind.”
Der “Verein Frauenbildungsreform” schickt Eingaben an die Unterrichtsministerien der Länder, den Reichstag und die Landtage der deutschen Einzelstaaten. Aber bis auf eine Ausnahme scheitern alle. Allein der badische Landtag will zeigen, daß Baden ein “wahrhaft liberales Land” ist. Am 16. September 1893 wird in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium eröffnet. Unter dem Namen “Lessing-Gymnasium” gibt es die Schule noch heute; eine Umbenennung in “Hedwig-Kettler-Gymnasium” lehnte das Kollegium 1993 ab.
Ab 1893 setzt Hedwig Kettler sich für die Einrichtung eines Mädchengymnasiums an ihrem neuen Wohnort Hannover ein. Der “Ausschuß zur Erledigung der Vorarbeiten zur Errichtung des Hannoverschen Mädchengymnasiums” soll Geldmittel für die Bewältigung der organisatorischen Aufgaben beschaffen. Angestrebt ist die Gründung eines neunklassigen Gymnasiums. Genehmigt wird aber nur die Einrichtung “gymnasialer Kurse” von fünf Jahren Dauer. Ostern 1899 können elf Schülerinnen ihre Ausbildung in der Sophienschule beginnen. Aber erst 1910 werden hier Abiturprüfungen abgenommen, bis dahin wurden die Mädchen als Externe an auswärtigen Knabengymnasien geprüft.
Hedwig Kettler strebt nach wie vor die Einrichtung eines “Vollgymnasiums” an. Da sie sich vom “Verein Frauenbildungsreform” im Stich gelassen fühlt, legt sie aus Protest im Jahre 1901 den Vorsitz nieder. Sie zieht sich ganz aus dem Kampf um die Frauenbildung zurück, als sich abzeichnet, daß ihrem neuen “Komitee für vollständige Mädchengymnasien” kein Erfolg beschieden ist.
In den Jahren 1905 bis 1922 ist sie literarisch und publizistisch aktiv. Sie schreibt Beiträge für Zeitschriften wie Westermanns Monatshefte und veröffentlicht Alltagsgeschichten und Skizzen unter dem Pseudonym Gotthard Kurland. Später arbeitet sie als Lektorin und Redakteurin für den Berliner Flemming-Verlag.
Nach dem Tod ihres Mannes lebt sie zurückgezogen in Berlin, wo sie am 5. Januar 1937 stirbt.
Der Nachlaß von Hedwig Kettler befindet sich im Stadtarchiv Hannover.
Verfasserin: Barbara Fleischer
Links
Hintergrund: Der lange Weg zum Frauenstudium
Chronik: Frauen an dt. Universitäten
Literatur & Quellen
Bock, Marion: Hedwig Kettler (1851-1937), Gründerin des ersten deutschen Mädchengymnasiums. In: Frauenwelten, biograph.-hist. Skizzen aus Niedersachsen. Hrsg. von Angela Dinghaus. Hildesheim 1993, S. 210-220.
Bock, Marion: Hedwig Kettler (1851-1937), Gleiche Bildung für Mann und Frau! In: Sophie und Co. Bedeutende Frauen Hannovers. Biograph. Portraits. Hrsg. von Hiltrud Schroeder. Hannover 1990, S. 123-138.
Ehrich, Karin: “Wie vieler Augen waren auf sie gerichtet.” Die ersten Abiturientinnen in Hannover. In: Adlige, Arbeiterinnen und…... Frauenleben in Stadt und Region Hannover vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Hrsg. von Karin Ehrich und Christiane Schröder. Bielefeld 1999, S. 131-157.
Kühnemann, Wolfgang: Frauenbildung und die Sophienschule. Festschrift 2000. 100 Jahre Sophienschule Hannover, S. 70-94. (online hier)
Schmidbaur, Marianne: Hedwig Kettler und der Verein Frauenbildungs-Reform. In: Brehmer, Ilse (Hrsg.): Mütterlichkeit als Profession. Lebensläufe deutscher Pädagoginnen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, Bd. 1. Pfaffenweiler 1990. S. 37-48.
Willich, Hugo: Hedwig Kettler. In: Nds. Lebensbilder, Bd. 4. Hildesheim 1960. S. 155-171.
Sollten Sie RechteinhaberIn eines Bildes und mit der Verwendung auf dieser Seite nicht einverstanden sein, setzen Sie sich bitte mit Fembio in Verbindung.