(Wanda Aleksandra Landowska)
geboren am 5. Juli 1879 in Warschau
gestorben am 16. August 1959 in Lakeville, Connecticut
polnische Cembalistin, Pianistin, Musikwissenschaftlerin und Komponistin
65. Todestag am 16. August 2024
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen
Biografie
Die Hohepriesterin des Cembalos«, »prima clavicembalista assoluta« oder »Bachantin«, wie der Dirigent Arthur Nikisch Wanda Landowska wegen ihrer intensiven Bachstudien nannte, wurde in Warschau als Tochter einer Sprachforscherin und eines Rechtsanwalts geboren. Mit vier Jahren begann sie Klavier zu spielen. Sie studierte in Warschau und Berlin.
1900 zog sie nach Paris, wo sie ihren Landsmann, den Schriftsteller Henri Lew, heiratete. Zusammen schrieben sie das Buch Musique Ancienne. 1903 stellte Landowska erstmals das von ihr wiederentdeckte Cembalo im Konzertsaal vor. Sie widmete sich bis an ihr Lebensende der Wiederbelebung der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und schrieb zahlreiche Werke zur Interpretation.
1913 zur Professorin einer eigens für sie eingerichteten Cembaloklasse an der Berliner Hochschule für Musik ernannt, durfte sie während des Ersten Weltkriegs als Ausländerin in Berlin zwar unterrichten, nicht jedoch veröffentlichen. Ab 1918 setzte sie ihre Lehrtätigkeit in Paris fort und unternahm von dort aus weite Konzertreisen.
1925 gründete sie bei Paris eine »Schule für Alte Musik«; außerdem ließ sie einen Konzertsaal in ihrem Garten bauen, der zum Treffpunkt von Musikliebhaberinnen aus aller Welt wurde. 1933 spielte sie dort zum ersten Mal die Goldberg-Variationen von Bach. Auf ihre Anregung hin schrieben zahlreiche Komponisten wie Poulenc oder de Falla Werke für das Cembalo.
Als sich 1940 die Nazitruppen näherten, verließ Landowska Paris. Ihre Schule, ihre wertvolle Bibliothek mit Originalhandschriften und ihre kostbare Sammlung alter Instrumente wurden von den Deutschen geplündert.
Landowska lebte bis zu ihrem Tod in Connecticut, USA, wo sie Platten aufnahm, unterrichtete, komponierte und mehrere Werke über alte Musik verfasste.
Text aus dem dem Kalender »Berühmte Frauen 1989«
Verfasserin: Eva Rieger
Zitate
Landowska, Wanda, * 5. Juli 1879 in Warschau, † 16. Aug. 1959 in Lakeville (Connecticut). Nach Beendigung ihrer pianistischen Ausbildung am Warschauer Kons. ging W. Landowska 1896 nach Berlin, um bei H. Urban Kompos. zu stud. Sie wanderte 1900 nach Paris aus, wo sie ihren Landsmann, den Folkloristen Henri Lew, heiratete und an der Schola Cantorum als Lehrerin tätig war. In Paris begann sie sich ausschließlich mit der Musik des 17. und 18. Jh. zu beschäftigen und das Cemb. als ebenbürtiges Konzertinstr. wieder zu beleben; sie spielte es 1903 zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. In jenen Jahren entstanden ihr Buch Musique Ancienne, zusammen mit ihrem Gatten geschrieben, und zahlreiche Aufsätze in der frz. und deutschen Fachpresse. Auf ausgedehnten Konzertreisen in alle größeren Städte Europas wurde W. Landowska als Meisterin ihres Instr. anerkannt. Insbesondere ist ihre Tätigkeit als Künstlerin und Forscherin im Rahmen der IMG hervorzuheben. 1912 baute nach ihren Angaben Pleyel das erste große Konzertcemb. unserer Zeit. Auf Betreiben Kretzschmars wurde sie 1913 als Leiterin einer Cemb.-Klasse an die Kgl. Hochschule für Musik nach Berlin berufen, die erste mus. Unterrichtsanstalt, an welcher dieses Fach offiziell gelehrt wurde. Nach kurzem, mit Konzerten und Meisterkursen ausgefülltem Zwischenaufenthalt in Basel 1919 kehrte sie 1920 endgültig nach Paris zurück und hielt 1921 sechs berühmt gewordene öffentl. Vorlesungen an der Sorbonne. Ihre Tourneen führten sie nunmehr in alle Weltteile, ihre Autorität galt internat. als unbestritten. 1925 gründete sie in Saint-Leu-La-Forêt bei Paris ihre eigene Schule (École de Musique Ancienne), zu deren Veranstaltungen sich jährl. Hörer und Schüler aus der ganzen Welt drängten. Die ersten modernen Kompos. für Cemb. (M. de Falla, Concerto, 1926, und F. Poulenc, Concert Champêtre, 1927) wurden auf ihre Anregung hin geschrieben. 1940 flüchtete sie aus Paris und erreichte 1941 die USA, die sie bis heute nicht mehr verlassen hat. Die Hartford Univ. verlieh ihr die Würde eines Dr. mus. h.c.
Als Pädagogin hinterläßt Wanda Landowska ein reiches Erbe. Die von ihr aufgebaute Methode der Fingervorbereitung für Tasteninstr. jeder Art ist von bleibendem Wert, wie die von ihr entwickelte Technik des Cemb.-Spiels. Alle bedeutenden heutigen Cembalisten sind direkt oder indirekt durch ihre Schule gegangen. Die in ihrer Persönlichkeit begründete Verbindung von wiss. und künstlerischer Arbeit bildet die Grundlage ihrer Leistung. Die Renaissance des Cemb. und der für dieses Instr. geschriebenen Musik wird zu allen Zeiten mit ihrem Namen verbunden bleiben.
(Erwin R. Jacobi. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Herausgegeben von Friedrich Blume. Band 8, Kassel: Bärenreiter-Verlag, 1960. S. 170-171.
Links
Beaujean, Oswald (2008): Die Klassik-Platte: Die gusseiserne Cembalistin. In: Die Zeit, 13.03.2008, Nr. 12.
Online verfügbar unter http://www.zeit.de/2008/12/M-Landowska, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
FOCUS: »Raub und Restitution« – Raubkunst von '33 bis heute. Bildstrecke, enthält Bericht der Geheimen Feldpolizei über die Beschlagnahme der Musikalien-Sammlung von Wanda Landowska.
Online verfügbar unter http://www.focus.de/kultur/kunst/raub-und-restitution-raubkunst-von-33-bis-heute_did_20510.html, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Internet Movie Database: »Camera Three« Reminiscences of Wanda Landowska (1963).
Online verfügbar unter http://www.imdb.com/title/tt1163449/fullcredits#cast, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Internet Movie Database: Wanda Landowska.
Online verfügbar unter http://www.imdb.com/name/nm1136930/, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Lempfrid, Wolfgang (1993): Der ferne Klang – Wanda Landowska und die Wiederentdeckung des Cembalos. Manuskript zur Sendung vom 20.9.1993, Deutschlandsender Kultur.
Online verfügbar unter http://www.koelnklavier.de/texte/interpreten/landowska.html, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Pianomuseum Haus Eller – Sammlung Dohr: Die Kielinstrumente der Sammlung Dohr, Köln. 1927 Konzertcembalo Pleyel (Paris).
Online verfügbar unter http://www.pianomuseum.eu/i042.htm, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Staatliches Institut für Musikforschung: Ausstellungen. Die Dame mit dem Cembalo – Wanda Landowska und die Alte Musik. Flyer (PDF-Datei).
Online verfügbar unter https://simpk.de/uploads/08-veranstaltungen-ausstellungen/mim_landowska_flyer_091008_web.pdf, zuletzt geprüft am 16.08.2019.
Literatur & Quellen
Werke
Landowska, Wanda (1909): Musique ancienne : le mépris pour les anciens, la force de la sonorité, le style l'interprétation, les virtuoses, les mécènes et la musique. Paris. Mercure de France.
Landowska, Wanda (1910): Bach und die französische Klaviermusik. In: Bach-Jahrbuch, Band 7. S. 33–44.
Landowska, Wanda (1911): Les allemands et la musique française au XVIIIe siècle. Sonderdruck. Paris.
Landowska, Wanda (1912): Weshalb ist die moderne Musik nicht melodiös? Ein Brief aus dem Kaukasus. In: Die Musik, Jg. 12, H. 4. S. 95–99.
Landowska, Wanda (1913): Über die C-Dur-Fuge aus dem I. Teil des Wohltemperierten Klaviers. In: Bach-Jahrbuch, Band 10. S. 53–58.
Landowska, Wanda (1931): Chopin und die alte französische Musik. In: Die Musik, Jg. 24, H. 2. S. 484–491.
Landowska, Wanda (1909): Musique ancienne. Paris. Ivrea. 1996. ISBN 2-85184-252-8.
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Quellen
Restout, Denise (1965): Landowska on music. London. Secker & Warburg.
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Weiterführende Literatur
Cash, Alice Hudnall (1990): Wanda Landowska and the revival of the harpsichord. A reassessment. Dissertation. Lexington. Universität.
Olivier, Antje; Braun, Sevgi (1997): Apolls Töchter. Große Sängerinnen und Interpretinnen auf den Bühnen der Welt. Düsseldorf. Droste. ISBN 3-7700-1081-7.
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Restout, Denise (1981): Landowska on music. New York. Stein & Day. (Scarborough book, 1233) ISBN 0812812336.
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Sachs, Harvey (1982): Virtuoso. The life and art of Niccolò Paganini, Franz Liszt, Anton Rubinstein, Ignace Jan Paderewski, Fritz Kreisler, Pablo Casals, Wanda Landowska, Vladimir Horowitz, Glenn Gould. New York. Thames and Hudson. ISBN 0-500-01286-5.
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Vries, Willem de (2008): Wanda Landowska und ihre »Musique Ancienne«. In: Bertz, Inka; Dorrmann, Michael (Hg.): Raub und Restitution. Kulturgut aus jüdischem Besitz von 1933 bis heute. Ausstellungskatalog. Übersetzt von Michael Ebmeyer u.a. Göttingen. Wallstein. ISBN 978-3-8353-0361-4.
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