Biographien Jocelyn Bell Burnell
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(Susan Jocelyn Bell, verh. Burnell)
geboren am 15. Juli 1943 in Belfast, Nordirland
britische Radioastronomin
80. Geburtstag am 15. Juli 2023
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Die britische Astrophysikerin Jocelyn Bell Burnell hat den Nobelpreis nicht bekommen – und ist dafür berühmter geworden, als wenn sie ihn bekommen hätte. Als junge Doktorandin (damals noch Jocelyn Bell) machte sie 1967 an der Universität Cambridge eine bahnbrechende Entdeckung. In zweijähriger Bauzeit war hier ein riesiges Radioteleskop errichtet worden, bei dessen Konstruktion und Aufbau Bell und ihre MitstudentInnen tatkräftig mit angepackt hatten. Das Ungetüm hatte eine Fläche von 57 Tennisplätzen. Auf insgesamt 2048 Kupfer-Dipolen war ein riesiges Netz von rund 200 Kilometern Kabeln und Drähten gespannt worden. Damit wollte das Forschungsteam ihres Betreuers, des Radioastronomen Antony Hewish, weit entfernten kosmischen Radioquellen auf die Spur kommen.
Zu Bells Aufgaben gehörte es, die Hunderte von Metern Papierrollen mit aus dem All empfangenen Radiowellen durchzumustern. In einer Novembernacht fielen ihr auf den Diagrammen einige merkwürdige Signale auf. Da es regelmäßige, kräftige Ausschläge waren, dachten die Wissenschaftler zunächst, es könnte sich um ein Störsignal eines Radiosenders oder gar um eine Botschaft einer außerirdischen Zivilisation handeln. Als Bell jedoch weitere Signale aus anderen Himmelsbereichen entdeckte, musste man von einem bisher unbekannten astrophysikalischen Phänomen ausgehen. Zunächst nahm man an, dass es sich um pulsierende Sterne handelt. Daher nannten Bell und ihre KollegInnen den seltsamen Fund „Pulsar“. Trotz der Skepsis ihres Betreuers berichtete sie regelmäßig in Veröffentlichungen über ihre Ergebnisse.
Die weiteren Forschungen ergaben schließlich, dass Pulsare die Überreste einer Supernova-Explosion sind. Der größte Teil des Sterns wird dabei ins Weltall geschleudert, während der Kern implodiert. Übrig bleibt ein Neutronenstern, der die extremste Materieform im Weltall darstellt. Hier wirken gewaltige Gravitationskräfte und elektromagnetische Felder, denn Neutronensterne konzentrieren die Masse mehrerer Sonnen in einer kompakten Kugel von nur rund 10 bis 20 Kilometer Durchmesser. Die starken Magnetfelder, die billionenfach stärker sind als das Erdmagnetfeld, und die äußerst schnelle Rotation führen zu zwei gebündelten Lichtkegeln. Wir nehmen sie als blinkende Objekte am Firmament wahr, wie einen stellaren Leuchtturm, dessen Licht nur bei passender Abstrahlrichtung von der Erde registriert werden kann. Diesen Lichtstrahl hatten die Detektoren des riesigen Radioteleskops in Cambridge eingefangen und die Ausschläge auf den Diagrammen verursacht. Von den Abermillionen Pulsaren im Weltall können jedoch nur die wenigsten beobachtet werden, weil sie entweder zu weit entfernt sind oder weil ihre Strahlenkegel nicht die Erde treffen.
Als 1974 das Nobelkomitee den Nobelpreis für Physik für die Entdeckung der Pulsare verlieh, wurde Jocelyn Bell Burnell (inzwischen war sie mit Roger Burnell verheiratet) jedoch übergangen. Die Auszeichnung erhielten ihr Doktorvater Antony Hewish und der britische Radioastrom Martin Ryle, der ein neuartiges Radioteleskopsystem zur genauen Positionsbestimmung der Pulsare entwickelte hatte. Die Stockholmer Entscheidung wurde damals in der Fachwelt heftig kritisiert – vor allem weil Bell hartnäckig gegen alle Widerstände ihre Ergebnisse veröffentlicht hatte, während ihr die männlichen Kollegen zunächst nicht glaubten und nun den Nobelpreis bekamen. Nur die Betroffene nahm es gelassen und hielt sich bescheiden zurück. Später äußerte sie dafür sogar Verständnis: Schließlich würden Nobelpreise eben in der Regel nicht an die in den preisgekrönten Labors arbeitenden Studierenden vergeben. Doch der Vorwurf, dass Bell bei der Preisvergabe wegen ihres Geschlechts übergangen wurde, ist bis heute nicht entkräftet.
Doch wie kam Susan Jocelyn Bell (so ihr Geburtsname) eigentlich zur Astrophysik? Jocelyn Bell kam am 15. Juli 1943 in Belfast zur Welt. Ihr Vater war als Architekt maßgeblich am Bau des nordirischen Armagh Planetariums beteiligt. Gelegentlich nahm er seine kleine Tochter auf die Baustelle mit. Das weckte ihr Interesse an Astronomie, ebenso die naturwissenschaftliche Bibliothek ihres Vaters. So studierte sie schließlich in Glasgow und erwarb einen Bachelor of Science in Physik (damals noch „Naturphilosophie” genannt). Danach besuchte sie die University of Cambridge, wo sie promovierte und ihr die bahnbrechende Entdeckung der Neutronensterne gelang. Nach dem Abschluss ihrer Promotion arbeitete sie weiter als Astrophysikerin an verschiedenen Universitäten in Großbritannien (Southampton, London und Edinburgh), wobei ihre Arbeiten auf dem Gebiet der Röntgenastronomie sehr große Anerkennung fanden. Später war sie Dekanin der Naturwissenschaften an der University of Bath und Gastprofessorin an angesehenen Universitäten wie Princeton und Oxford.
In Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistungen erhielt Bell Burnell unzählige Auszeichnungen und Ehrungen. 2007 wurde sie sogar von Königin Elisabeth II. in den Adelsstand erhoben. 2018 – fünfzig Jahre nach ihrer Entdeckung der Radiopulsare - wurde Bell Burnell mit dem Special Breakthrough Prize in Fundamental Physics ausgezeichnet. Mit einem Preisgeld von drei Millionen Dollar ist der Breakthrough Prize sogar wesentlich besser dotiert als der Nobelpreis und gilt als eine Art „Oscar der Wissenschaft”. Bell Burnell, die während ihrer ganzen Karriere eine Vorkämpferin für Frauen in der Wissenschaft war, spendete das ganze Geld zur Finanzierung von Promotionsstipendien für Mitglieder von in den Naturwissenschaften unterrepräsentierten Gruppen – wie Frauen, ethnische Minderheiten oder People of Color.
Eines der Dinge, die Frauen in ein Forschungsprojekt oder in ein anderes Projekt einbringen, ist, dass sie von einem anderen Ort kommen, einen anderen Hintergrund haben. Die Wissenschaft wurde von weißen Männern seit Jahrzehnten benannt, entwickelt, interpretiert, und Frauen sehen die konventionelle Weisheit aus einem etwas anderen Blickwinkel - und das bedeutet manchmal, dass sie eindeutig auf Fehler in der Logik hinweisen können, Lücken in der Argumentation, sie können eine andere Perspektive geben, was Wissenschaft ist.
(Jocelyn Bell Burnell)
(Text von 2022)
Verfasserin: Manfred Orlick
Literatur & Quellen
- Rachel Ignotofsky: Furchtlose Frauen, die nach den Sternen greifen : 50 Porträts faszinierender Wissenschaftlerinnen. München 2018
- https://de.wikipedia.org/wiki/Jocelyn_Bell_Burnell
- https://www.astronews.com/news/artikel/2018/09/1809-006.shtml
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