Fembio Specials Frauenbeziehungen Elisabeth Gnauck–Kühne
Fembio Special: Frauenbeziehungen
Elisabeth Gnauck–Kühne
(Dr. Elisabeth Gnauck–Kühne, geb. Kühne)
geboren am 2. Januar 1850 in Vechelde bei Braunschweig
gestorben am 12. April 1917 in Blankenburg im Harz
deutsche christliche Sozialpolitikerin
105. Todestag am 12. April 2022
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Elisabeth Gnauck-Kühnes Leben weist interessante Parallelen zum Leben Helene Langes und Simone Weils auf. Wie Helene Lange mit der 25 Jahre jüngeren Gertrud Bäumer, lebte Gnauck-Kühne mit der 25 Jahre jüngeren Ida Ernst zusammen, die der verehrten älteren Freundin “zuallererst Tochter, dann engste Vertraute…, selbstlose Ratgeberin und aufrichtige Kritikerin, aber auch Haushälterin und Sekretärin” war. 14 Jahre lang, bis zu Gnauck-Kühnes Tod 1917, war Ida Ernst “dem sensiblen Menschen fester Halt, der mütterlichen Freundin wertvolle Stütze, gestaltete den Rahmen, damit die Welt, vorrangig die Frauen, in den Vorzug der wissenschaftlichen, gesellschaftsverändernden Leistungen von Elisabeth Gnauck-Kühne kommen konnten.” (I. Böhm in Pregardier 1997).
Mit Simone Weil teilt Elisabeth Gnauck-Kühne die damals für eine “Bürgerliche” ungewöhnliche Anteilnahme am Elend der Arbeiterinnen bis hin zum “Selbstversuch”: Beide arbeiteten in Fabriken, um die grausamen Arbeitsbedingungen am eigenen Leib zu erfahren. Und beide fanden auf ihrer Suche nach spiritueller Tiefe und Geborgenheit zum Katholizismus.
Elisabeth Kühne wurde zunächst Lehrerin und gründete 1875 zusammen mit ihrer Schwester ein Institut für höhere Töchter in Blankenburg im Harz, das sie 13 Jahre lang, bis zur ihrer Eheschließung mit dem Berliner Nervenarzt Dr. Gnauck, leitete. Schon nach 4 Monaten beschloss sie die Scheidung – damals für eine Frau aus dem Bürgertum eine Ungeheuerlichkeit. Gnauck-Kühne studiert Volkswirtschaft bei dem sozialistisch gesinnten Nationalökonomen Gustav Schmoller. Schnell macht die scharfsinnige, engagierte und wortgewandte Frau in der evangelischen Frauenbewegung Karriere. 1895 hält sie auf dem 6. Evangelisch-sozialen Kongreß in Erfurt das Hauptreferat – es ist eine Sensation. Ein Jahr später unterstützt sie den Streik der Berliner Konfektionsarbeiterinnen. Wohltätigkeit ist ihr zu wenig; Nachfolge Christi bedeutet für sie, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
1900 wechselt Gnauck-Kühne vom “kahlen Armenhaus Protestantismus” zum “reichen Palast Katholizismus”, in dem überdies Ehelosigkeit eine geachtete Lebensform ist, während es im Protestantismus nur “Ehefrauen und unfrohe alte Jungfern” gab. Sie hilft mit, den Katholischen Deutschen Frauenbund zu gründen und entwickelt sich in ihrem kompromisslosen Eintreten für die Arbeiterinnen zur “katholischen Zetkin”. 1904 erscheint ihr Hauptwerk “Die deutsche Frau um die Jahrhundertwende”.
1917 stirbt “Deutschlands erste Sozialpolitikerin” (Helene Weber) an den Folgen einer Erkältung, die sie sich auf einer ihrer Vortragsreisen zugezogen hat.
Verfasserin: Luise F. Pusch
Zitate
Elisabeth Gnauck–Kühne ist nicht vergessen worden. Einmal, weil sie ... sachlich, leidenschaftlich, ohne Angst, durch pointierte Formulierungen zu mißfallen, die Sache der Frauen vertrat, und zweitens, weil sie für die evangelische wie für die katholische Kirche immer noch als eine Art Feigenblatt gilt, mit der beide Kirchen ihr damaliges und bis heute mißtrauisches Verhältnis zur Frauenbewegung bedecken. (Elisabeth Moltmann–Wendel)
Literatur & Quellen
Budke, Petra & Jutta Schulze. 1995. Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945: Ein Lexikon zu Leben und Werk. Berlin. Orlanda.
Dauzenroth, Erich. 1964. Frauenbewegung und Frauenbildung: Aus den Schriften von Helene Lange, Gertrud Bäumer, Elisabeth Gnauck-Kühne. Bad Heilbrunn/Obb. Klinkhardt.
Hellwig, Renate. Hg. 1984. Frauen in der Politik - Die Christdemokratinnen: “Unterwegs zur Partnerschaft”. Stuttgart; Herford. Seewald.
Prégardier, Elisabeth & Irmingard Böhm. Hg. 1997. Elisabeth Gnauck-Kühne (1850 - 1917): Zur sozialen Lage der Frau um die Jahrhundertwende. Annweiler. Plöger.
Schmidt:, Anna-Maria. 2018. Katholisch und emanzipiert. Elisabeth Gnauck-Kühne und Pauline Herber als Leitfiguren der Frauen- und Mädchenbildung um 1900 (SOFIE. Schriftenreihe zur Geschlechterforschung, Bd. 22). St. Ingbert. Roehrig Universitätsverlag.
Schmidt–Biesalski, Angelika. Hg. 1981. Lust, Liebe und Verstand: Protestantische Frauen aus fünf Jahrhunderten. Gelnhausen; Berlin; Stein, Mfr. Burckhardthaus-Laetare-Vlg.
Schmücker, Else: 1963. Frauen in sozialer Verantwortung : Luise Otto-Peters, Helene Lange, Pauline Herber, Elisabeth Gnauck-Kühne, Hedwig Dransfeld, Selma von der Gröben, Alice Salomon, Elly Heuss-Knapp. Paderborn. Schöningh.
Simon, Helene. 1928-1929. Elisabeth Gnauck-Kühne. Gladbach. Volksvereins-Verlag.
Speuser, Maria. 1926. Elisabeth Gnauck-Kühne und ihre Stellung zur Frauenfrage unter besonderer Berücksichtigung der Arbeiterinnenfrage. Düsseldorf. Tönnes.
Walter, Karin. Hg. 1990. Sanft und rebellisch: Mütter der Christenheit - von Frauen neu entdeckt. Freiburg; Basel; Wien. Herder.
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