Fembio Specials Berühmte Schweizerinnen Marie Tussaud
Fembio Special: Berühmte Schweizerinnen
Marie Tussaud
(Marie Grosholtz [Geburtsname]; Madame Tussaud)
geboren am 7. Dezember 1760 (eigene Aussage) oder 1761 (Taufurkunde) in Straßburg
gestorben am 16. April 1850 in London
Wachsbildnerin, Unternehmerin
170. Todestag am 16. April 2020
260. Geburtstag am 7. Dezember 2020
Biografie • Zitate • Weblinks • Literatur & Quellen • Bildquellen
Biografie
Dem Namen nach entstammte Marie Tussaud, geborene Grosholtz, einer Familie von Scharfrichtern. Wahrscheinlicher ist, dass sie das uneheliche Kind des Anatomen Philippe Curtius war, der sie und ihre Mutter 1768 zu sich nach Paris holte. Curtius lehrte sie die Kunst des Wachsmodellierens und die Vermarktung seiner Ausstellungen. Er verriet ihr auch sein Geheimrezept, mit dem sie die Färbung der menschlichen Haut täuschend echt imitierte. Der Wachssalon erfreute sich großer Beliebtheit, ein dreidimensionales Sensationsblatt, das die Lust nach Grusel und neuesten höfischen Trends stillte.
Zu ihren besten frühen Arbeiten gehören die Wachsköpfe von Voltaire, Franklin und Rousseau, gern gesehene Tischgäste im Hause Curtius. Mit 19 Jahren wurde sie nach Versailles geholt, wo sie der Schwester Ludwig XVI. das Modellieren beigebracht haben soll. Den König beschreibt sie in ihren Memoiren als »unbefangen und schwach« und als fanatischen Hobbyschlosser, der die Königin mit seinen schwarz verschmierten Händen zur Verzweiflung brachte.
Nach Ausbruch der Französischen Revolution hielt sich Tussaud mit ihren Erinnerungen zurück. Ihre Wachsfiguren unterlagen einem ständigen Wandel. Sobald ein Politiker in Ungnade fiel, wurde dessen Gesicht schnell weggemeißelt und durch ein neues ersetzt. Alles andere war lebensgefährlich.
1792 hielt sie ihren ersten blutigen Frauenkopf in den Händen. Flickschuster, Tischler und Schneider hatten der Prinzessin de Lamballe »mit den Zähnen die Brüste abgerissen«. Jetzt forderten sie einen Abguss des verstümmelten Gesichtes, echte aufgespießte Köpfe drohten auseinanderzufallen. Ein Trauma, das Madame Tussaud in ihren Ausstellungskatalogen immer wieder beschrieb.
Auch die Gesichter von Ludwig XVI., Marie Antoinette, Robespierre und anderen Revolutionären wurden von ihr in Wachs verewigt. Zwischen dem Scharfrichter und Curtius soll es geheime Absprachen gegeben haben. So konnten der Anatom und seine Schülerin Abgüsse vornehmen, ehe die Leichen eilig verscharrt wurden. Der Wachssalon florierte. Alle wollten die eben hingerichtete Prominenz noch einmal sehen. Schmuckstück der Ausstellung: der in der Badewanne erstochene Marat. Bis heute ist nicht geklärt, ob es Tussauds Wachstableau war, das dem Maler Jacques-Louis David als Vorlage für sein berühmtes Ölgemälde diente, oder umgekehrt.
1794 erbte Marie Tussaud Curtius' gesamtes Vermögen: drei Immobilien, wenig Geld, viele Wachsfiguren. Schon bald darauf heiratete sie, schloss aber mit ihrem Gatten vorsichtshalber einen Ehevertrag. Frankreich steckte in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Das Volk hungerte, der Wachssalon war wie leergefegt. Madame Tussaud blieb nichts anderes übrig, als einen Kredit aufzunehmen.
35jährig gebar sie ihr erstes Kind, ein Mädchen, das nach wenigen Monaten starb. Es folgten zwei Söhne, den jüngeren musste sie in Paris zurücklassen, als sie sich 1802 mit ihren Wachsfiguren nach London einschiffte. Durch den Vertrag mit einem Schausteller hoffte sie, ihren Schuldenberg zu verkleinern und ihre Familie finanziell abzusichern. Ein großer Irrtum – sechs Jahre sollte es dauern, bis sie endlich wieder auf eigenen Füßen stand. »Ich werde nicht ohne eine wohlgefüllte Börse zurückkehren«, schrieb sie nach Paris und ermahnte ihren Mann, sich um die Familie zu kümmern und zu kochen.
Liverpool, Edinburgh, Glasgow, Dublin – fast drei Jahrzehnte tourte sie mit ihrer Ausstellung durchs Land, völlig auf sich gestellt. Sommer 1822 erlitt sie Schiffbruch, wäre beinahe ertrunken, neun Jahre später drohten sie, ihr Sohn und ihre Wachsfiguren bei Unruhen in Bristol zu verbrennen. Immer wieder raffte sie sich auf, modellierte, schaffte Requisiten heran, unterhielt einen Flohzirkus, reparierte, warb, verhandelte. Ab und zu gönnte sie sich ein Glas Bier, ein wenig Schnupftabak, ein Lotterielos, mehr nicht. Ihr Mann hatte inzwischen das gesamte Pariser Vermögen verspielt, auf keinen Fall wollte sie zu ihm zurückkehren.
Erst mit 75 Jahren gab sie ihr Wanderleben auf und ließ sich mit ihren Söhnen in der Baker Street nieder. Die Londoner standen Schlange bei ihr, wollten den Napoleon-Schrein, die Kammer des Schreckens, den englischen Adel hautnah erleben. Geschichte zum Anfassen. Dazu Musik, Anekdoten, wertvolle Gemälde. Und am Eingang neben der Kasse, wachsam, Tag für Tag, Stunde um Stunde, die Hauptattraktion des Kabinetts, eine kleine, drahtige Frau mit Seidenhaube, spitzer Nase und lebhaftem Blick: Madame Tussaud. Bis kurz vor ihrem Tod saß sie dort und kassierte, erzählte von Paris, der Guillotine und Marie Antoinette. Als sie 88jährig starb, hinterließ die berühmte Wachsbildnerin ein boomendes Familienunternehmen. Auf ihrem Totenschein wurde als Beruf »Witwe von François Tussaud« angegeben.
Verfasserin: Uta Ruscher
Zitate
Ihre Vorzüge sind mit Worten nicht zu beschreiben, sie verwandelt Frauen in Schönheiten und verleiht Männern Geist.
(aus einem Werbetext von Madame Tussaud)
Links
Madame Tussauds. Offizielle Webseite der Wachsfigurenkabinette. (Link aufrufen)
Die Geschichte von Madame Tussauds (Link aufrufen)
Find A Grave Memorial: Marie Gresholtz Tussaud (1760 - 1850) (Link aufrufen)
Roth, Jenni (2009): Madame Tussaud – Blut, Wachs und Peepshow. Biografie (Link aufrufen)
Weidinger, Birgit (2007): Wachs in ihrer Hand. Die Geschichte von Madame Tussaud. In: Süddeutsche Zeitung, 17./18.11.2007. (Link aufrufen)
Links geprüft und korrigiert am 10. April 2020 (AN)
Literatur & Quellen
Quellen
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Weiterführende Literatur
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Bildquellen
Encyclopedia Britannica Online Encyclopedia Michelle Moran Gerhard Posch Wikipedia
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