Fembio Specials Europäische Jüdinnen Käte Hamburger
Fembio Special: Europäische Jüdinnen
Käte Hamburger
geboren am 21. September 1896 in Hamburg
gestorben am 8. April 1992 in Stuttgart
deutsche Literaturwissenschaftlerin und Philosophin
30. Todestag am 8. April 2022
Biografie • Literatur & Quellen
Biografie
Käte Hamburger wird in der Laudatio zur Verleihung des Schillerpreises (1990) “Parteigängerin des Lebens” genannt. Das ist sie, und das unterscheidet diese jüdische Literaturwissenschaftlerin und Philosophin von vielen ihrer deutschen Kollegen. Und “natürlich” auch ihr Geschlecht. Sie ist Frau – und Jüdin. Und sie wird die weltweit wohl bekannteste deutsche Hochschulgermanistin. Eine spannende Frau – und ein schweres Leben.
Käte Hamburger ist zugleich Literaturwissenschaftlerin und Philosophin. Sie hat zum ersten Mal auch poetische Aussagen in den Bereich der Logik einbezogen. Ihr Hauptwerk Logik der Dichtung von 1957 (erweiterte Neufassung 1968) zeigt die ganz eigene und von jedem “Wahrheitsanspruch” autonome Wirklichkeit der Fiktionen. Sie beweist ihre kühne These mit dem grammatischen Phänomen des “epischen Präteritums”: Das “Es war einmal ...” des Märchens behauptet keine andere Zeit als die des Erzählens selbst. Nur in der Dichtung kann ein Satz wie “Morgen war Weihnachten” sinnvoll sein – und dort fällt uns seine scheinbare grammatische Unmöglichkeit nicht einmal auf.
Käte Hamburger hat nicht gern und nicht oft über Frauen geschrieben. Sie war zu Hause in der männlich verfassten Germanistik. Zwar gibt es eine hinreißende Rahel-Varnhagen-Monographie aus ihrer Feder. Doch ihre literarischen Lieblinge waren Männer: Schiller, über dessen Analyse des Menschen sie 1922 in München promoviert, und Thomas Mann, dessen Lotte in Weimar noch ihre letzte Publikation (1986) gilt. Sie war im schwedischen Exil, und zurück in Deutschland hat sie weiter im Wesentlichen von ihrer schwedischen Pension gelebt. Sie ist Jüdin und liebt Deutschland und seine Literatur; sie ist Frau und ganz zuhaus in der Männerwissenschaft ...
Ihre letzte große Arbeit ist die Untersuchung Das Mitleid (1985). Ihren Lieblingsschülern wird sie zur Nenntante, und sie redet sie in der Öffentlichkeit zwar mit Titel – aber mit Vornamen an. Sie ist eine große Logikerin – und ein großes Kind. Und die hochgewachsenen WissenschaftlerInnen, die einmal ihre SchülerInnen waren, haben zu der Kleingewachsenen aufgesehen.
Käte Hamburger ist im Alter von fünfundneunzig Jahren am 8. April 1992 in einer psychiatrischen Anstalt gestorben. Sie kam dorthin, weil letzten Endes niemand sie pflegen wollte und sie sich in dieser Anstalt schließlich doch noch (nach einem solchen Leben!) aufgegeben hat.
Verfasserin: Waltraud Schiffels
Literatur & Quellen
Käte Hamburger in der Deutschen Nationalbibliothek
Käte Hamburger: Aufsätze und Gedichte zu ihren Themen und Thesen. Zum 90. Geburtstag hg. von Helmut Kreuzer und Jürgen Kühnel. Siegen 1986. Schriften der Universität / Gesamthochschule Siegen.
Hamburger, Käte. 1968. Die Logik der Dichtung. 2. Aufl. Stuttgart. Klett.
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