Fembio Specials Exilantinnen (1933-1945) Alice Salomon
Fembio Special: Exilantinnen (1933-1945)
Alice Salomon
geboren am 19. April 1872 in Berlin
gestorben am 30. August 1948 in New York
deutsche Sozialpädagogin, Sozialpolitikerin, Volkswirtin und Frauenrechtlerin
75. Todestag am 30. August 2023
Biografie • Zitate • Literatur & Quellen
Biografie
Alice Salomon wurde als viertes Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin geboren. Lehrerin zu werden, wurde ihr verweigert; so begann – nach ihrer eigenen Beschreibung – ihr Leben erst mit 21 Jahren, als sie 1893 an der Gründungsversammlung der Berliner “Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit” teilnahm. Es war eine karitative Organisation, die von sozial aufgeschlossenen Berliner Bürgerinnen und Bürgern ins Leben gerufen worden war. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete Alice Salomon ehrenamtlich im sozialen Bereich und lernte dabei das Berliner ArbeiterInnenelend kennen. 1908 wurde sie Mitbegründerin und Leiterin der sozialen Frauenschule Berlin, die professionell und systematisch junge Mädchen auf die soziale Hilfstätigkeit vorbereitete. Die heutige Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Berlin ist eine Nachfolgeeinrichtung der damaligen sozialen Frauenschule. Noch vor Gründung dieser Einrichtung promovierte Alice Salomon 1906 an der Berliner Universität im Fach Volkswirtschaftslehre.
Zur zweiten Lebensaufgabe wurde ihr das Engagement in der deutschen und internationalen Frauenbewegung. Sie galt als außergewöhnlich jung, als sie 1900 in den Vorstand der Dachorganisation der deutschen Frauenbewegung, dem Bund deutscher Frauenvereine, gewählt wurde und ihm zuerst als Schriftführerin und später als stellvertretende Vorsitzende (bis 1920) diente. Die Wahl zur ersten Vorsitzenden des Verbandes scheiterte an antisemitischen Strömungen im BDF und traf Alice Salomon tief. Freundlicher waren ihre Erinnerungen an die internationale Frauenbewegung, dem International Council of Women (ICW). An deren großen internationalen Kongressen in London 1899 und Berlin 1904 nahm sie begeistert teil und wurde 1909 auf der Versammlung in Toronto zur Schriftführerin gewählt.
1925 gründete Salomon die “Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit”, eine Institution zur Fortbildung von Führungskräften der Sozialarbeit mit einer eigenen Forschungsabteilung. Mit dieser Akademie wurden erstmals erhöhte Professionalisierungsansprüche an den sozial-pädagogischen Beruf gestellt - ähnlich wie in der “School of Social Service Administration” des Teams Edith Abbott, Grace Abbott und Sophonisba Breckinridge in Chicago. Alice Salomon veröffentliche zahlreiche Schriften über Mutter- und Arbeiterinnenschutz, Wohlfahrtspflege und Ausbildungsfragen.
Zu ihrem sechzigsten Geburtstag 1932 wurden ihr hohe Ehrungen zuteil, so u.a. auch ein Ehrendoktorat der Universität Berlin. Ein Jahr später verlor sie alle Ämter. 1937 hatte sie nach einem Gestapoverhör die Wahl, in ein Konzentrationslager verschleppt zu werden oder zu emigrieren. Sie starb 1948 in New York.
(Text von 1996)
Verfasserin: Hiltrud Schroeder
Zitate
Ich gehe in ein Leben des Kampfes um Brot - aber guten Mutes in froher Zuversicht - völlig ungebrochen in geistiger und sittlicher Kraft, in meinem Wertgefühl, das nicht von außen beeinträchtigt werden kann. Das Eine, wozu meine Kraft nicht reicht, ist zum persönlichen Abschiednehmen.”
(Alice Salomon, Abschiedsbrief an ihre FreundInnen vor ihrer Emigration 1937)
Literatur & Quellen
Alice Salomon in ihren Schriften. Bibliographie 1989. Zusammengestellt von Renate Orywa und Annette Dröge im Auftrage der Rektorin der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin.
Berger, Manfred. 1998. Alice Salomon: Pionierin der sozialen Arbeit und der Frauenbewegung. Frankfurt/M. Brandes & Apsel.
Dick, Jutta & Marina Sassenberg. Hg. 1993. Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert: Lexikon zu Leben und Werk. Reinbek bei Hamburg. rororo Handbuch 6344.
Kuhlmann, Carola. 2000. Alice Salomon: Ihr Lebenswerk als Beitrag zur Entwicklung der Theorie und Praxis sozialer Arbeit. Weinheim. Deutscher Studienverlag.
Landwehr, R. 1981. Alice Salomon und ihre Bedeutung für die soziale Arbeit. Berlin.
Peyser, Dora. 1958. “Alice Salomon: Ein Lebensbild”, in Muthesius, Hans. Hg.. Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Köln; Berlin. Carl Heymann.
Salomon, Alice. 1983. Charakter ist Schicksal. Hg. Rüdiger Baron & Rolf Landwehr. Weinheim; Basel. Beltz.
Wall, Renate. 1988. Verbrannt, verboten, vergessen: Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933-1945. Köln. Pahl-Rugenstein.
Wieler, Joachim. 1987. Er-Innerung eines zerstörten Lebensabends: Alice Salomon während der NS-Zeit (1933-1937) und im Exil. Darmstadt. Lingbach.
Zeller, Susanne. 1990. “Alice Salomon, die Gründerin der sozialen Frauenschule”. Brehmer, Ilse & Karin Ehrich. Hg.1993. Mütterlichkeit als Profession? Lebensläufe deutscher Pädagoginnen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Band 1. Pfaffenweiler. Centaurus. S. 223 - 227.
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